Vignette, Maut & Cons.

Ich befinde mich in Wesseling, die Reise liegt noch vor mir. Doch schon jetzt bin ich in Gedanken unterwegs. Vor meinem inneren Auge entfaltet sich eine Landkarte, die mir die faszinierende Route nach Montenegro und Albanien offenbart. Österreich, Slowenien, Kroatien, Bosnien und Herzegowina, Montenegro, Albanien – all diese Länder liegen wie leuchtende Perlen auf meinem Weg. Vielleicht wird sogar Griechenland den krönenden Abschluss bilden.

Vignetten | Bild: ADAC


Mit dem Verlassen Deutschlands trete ich ein in das Land der Alpen, Österreich. Hier sind die Regeln klar: Eine Vignette ist Pflicht, ebenso wie die Entrichtung von Autobahngebühren. Ähnlich gestaltet sich die Passage durch das liebliche Slowenien, das sich als traditionelles Transitland erweist. Doch Vorsicht ist geboten, denn Verstöße gegen die Vignettenpflicht können hohe Bußgelder nach sich ziehen, bis zu 800 Euro. Auch in den anderen Ländern des Balkans werden Mautgebühren fällig, wenn auch ohne die Notwendigkeit einer Vignette.
Allein für die Vignetten und Mautgebühren werde ich bei meiner Ankunft in Albanien mehr als hundert Euro ausgegeben haben. Eine beträchtliche Summe, zweifellos. Doch im Vergleich zu anderen Reiserouten wird deutlich, dass diese Investition ein Teil des Abenteuers ist. Mein Herz schlägt für den Balkan, für seine Geschichten, seine Landschaften und seine Menschen.

Jetzt, mehr denn je.

Gottvertrauen (…)

Als ich neulich Zweifel über meine Form des Reisens in einem kleinen Mini-Camper äußerte, erreichte mich die Nachricht eines meiner Lieblingsmenschen: „Andere mögen Pauschalreisen mit Rücktrittsversicherung buchen. Natürlich erscheint es gänzlich absurd, sich für vier Wochen in eine Blechkiste zu zwängen, um Gegenden jenseits jeglicher Zivilisation zu erkunden, Fremden zu vertrauen, einen Haufen Geld zu lassen und den Magen mit den seltsamsten Gerichten zu konfrontieren. Aber ist es nicht eben das, was uns wirklich lebendig macht? Das Wagnis, der Einsatz, die Offenheit und ja, das Gottvertrauen?“
„Gottvertrauen“ – mehr als nur eine bloße Floskel für mich. Es fällt mir nicht leicht, mich dem Fluss des Lebens hinzugeben, den Wogen des Schicksals zu vertrauen und mutig von Augenblick zu Augenblick zu segeln. Doch wenn ich Raum für die kleinen Wunder schaffe, sie nicht unbeachtet verstreichen lasse, dann, ja dann kann ich alle Ängste verdrängen und wahrhaft sehen.
Das Erkennen des Großen im Kleinen ist der essentielle Kern meiner Reisen. Und das dabei empfundene leise Singen will ich nicht vergessen, das mich bereits vor, während und nach der Reise durchdringt, das ich in mir spüre und nachhallen lasse. Es wird zu einem untrennbaren Teil meines Lebens.

Checklisten

Morgen ist es endlich soweit – morgen will ich losfahren. Das Auto wurde vor ein paar Tagen vom TÜV durchgecheckt, sämtliche technischen Details habe ich bis ins Detail überprüft. Es sind immer die kleinen Dinge, auf die es ankommt. Das Große liegt im Kleinen verborgen. Diese Weisheit gilt nicht nur für Abenteuer, sondern auch für die Planung einer Reise.
Am Ende steht bei mir immer eine Checkliste. Doch selbst diese ist nie vollständig. Ich durchstreife das Haus, werfe einen letzten wehmütigen Blick auf alles, finde noch einige Dinge, die mich nach wie vor faszinieren und träume mich durch den Tag. Meine Liebsten betrachten mein aufgeregtes Treiben mit wohlwollendem Lächeln, während sie zugleich den Kopf schütteln. Sie sind unsicher, ob sie mich bedauern oder beneiden sollen.
Wie heißt es so schön: „Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen.“ Und das gilt nicht nur für die Geschichten, die ich auf dieser Reise erleben werde, sondern auch für die Hektik und die Vorfreude, die die Vorbereitungen mit sich bringen. Jede Kleinigkeit, jeder Moment der Ungewissheit oder der Vorfreude ist Teil des Abenteuers, das vor mir liegt.

Der Mini-Camper

Die Idee, mein Auto in einen Mini-Camper umzuwandeln, war vor etwa fünf Jahren eher ein spontaner Impuls. Ich wollte diese Freiheit erleben, von der so viele in den sozialen Medien schwärmen. Also habe ich meinen Caddy mit ein paar einfachen Umbauten in einen gemütlichen Rückzugsort verwandelt.
Doch das Schleiergewand der Romantik, das von den glänzenden Fresken des Internetzeitalters gewebt wurde, entpuppt sich schnell als trügerisches Tuch. Die Odyssee nach malerischen Oasen gestaltet sich nicht selten zu einer ernüchternden Expedition. Die Verklärung, sich an abgelegenen Küsten oder in den Wäldern der Natur zu nähern, wird von der harten Realität überlagert. Die meisten dieser Oasen erweisen sich entweder als vom Strom der Menschenmassen überflutet oder als verriegelte Tore der Nachtruhe.
Die Freiheit des stillen Lagerplatzes, vor hundert Jahren ein Juwel in der Krone des Reisenden, ist heutzutage in den Landen Europas nahezu verbannt. Selbst fernab der belebten Wege, findet sich nur selten ein Ort der Stille, wo man sein Bett ungestört aufschlagen kann, ohne den Schatten der Rechtsprechung zu fürchten. Und sollte man sich dem Heerlager eines Campingplatzes nähern, so offenbart sich einem bald eine Unzahl von Dekreten, denen man sich beugen muss – von den Sanktionen der Stille bis hin zu den Geboten der zeitlichen Ein- und Ausreise.

Dazu kommen die praktischen Herausforderungen des Lebens unterwegs. Die Hygiene ist oft ein Problem, besonders wenn man längere Zeit ohne Zugang zu einer Dusche unterwegs ist. Und kalte Getränke zu haben, erfordert entweder ständiges Nachfüllen mit Eis in eine passive Kühlbox oder einen elektrisch betriebenen Kühlschrank, der viel Strom verbraucht.
In einem Mini-Camper zu leben, ist mitunter beschwerlich, doch die empfundene Freiheit ist von unschätzbarem Wert. Daher hege ich weiterhin den Plan, Europa in meinem kleinen mobilen Rückzugsort zu erkunden – denn gerade die Herausforderungen verleihen diesen Abenteuern ihren unvergesslichen Charakter. Aus diesem Grund begebe ich mich nun auf die Reise zu den letzten verbliebenen Refugien Europas, die noch nicht gänzlich durch Reglementierungen erstickt sind. Meine Route führt mich in den Balkan, genauer gesagt nach Montenegro, Albanien und Nordgriechenland. Aktuellen Berichten zufolge scheinen auch die Begegnungen mit Straßenräubern in dieser Region seltener zu werden…

Wer mehr zur Technik des Campers erfahren möchte, der klicke hier.

Entgegen dem Konventionellen des typischen Campers habe ich bewusst auf manche Ausstattungen verzichtet, die oft als unentbehrlich gelten. Ein herkömmlicher Camper war nie mein Ziel, denn Campingplätze empfinde ich als wenig reizvoll. Vielmehr strebe ich nach Unauffälligkeit auf meinen Reisen, möchte mich nicht von der Masse abheben, lieber unauffällig unterwegs sein. Dennoch soll mein Unterschlupf all jene Annehmlichkeiten bieten, die das Reisen angenehm gestalten: ein bequemes Bett zum Ruhen, eine Kochmöglichkeit für die Zubereitung von Speisen, eine diskrete Einrichtung für die Bedürfnisse des Alltags, ausreichend Stauraum für Lebensmittel und Utensilien, eine Sitzgelegenheit für gemütliche Stunden, die Möglichkeit, meiner Lieblingsmusik zu lauschen, und stets die Gewissheit, ein kaltes, erfrischendes Getränk zu genießen. Nicht zu vergessen die elektrische Versorgung, die es mir ermöglicht, meine Geräte wie Laptop, Handy und Kamera jederzeit aufzuladen und so meine Reiseerlebnisse festzuhalten und zu teilen. 

Auf meiner diesjährigen Reise sind zum ersten Mal eine Powerstation, eine Kompressor-Kühlbox und ein Solar-Panel mit an Bord. 
Vor meinem inneren Auge sehe ich schon die Sonnenstrahlen ununterbrochen auf das Solar-Panel treffen. Sie erzeugen Strom, der sogleich in die Powerstation fließt, dort gespeichert und in angemessener Dosierung zur Kühlbox weitergeleitet wird. Diese verfügt über zwei Kühlkammern, in der einen herrscht eisige Kälte (für den einen oder anderen Eiswürfel), während die andere gekühlte Getränke und Speisen für mich bereithält. Leise höre ich schon das Eis im Glas klingeln, wenn ich einen leckeren Pastis trinke. So zumindest der Plan. Leider war es nötig, zunächst einen Dachgepäckträger zu organisieren, um das Solar-Panel ordnungsgemäß zu montieren. Auch mussten die Stromkabel geschickt ins Innere des Wagens geleitet werden, wo die Powerstation auf Energie wartet. 

Ein erster Probelauf war erfolgreich – das System funktioniert. Die Sonne speist die Powerstation mit 100 Watt und die Kühlbox nimmt sich, wenn sie läuft nur ca. 35 Watt. Ich bin sehr zufrieden.

Solar auf dem Dach | Torsten Gripp

Kindheitserinnerungen

Es ist einer dieser Tage, wo der Regen in Strömen vom Himmel fällt und den Tag in ein graues Kleid hüllt. Jede Hoffnung auf Sonnenschein ertrinkt in den Wassermassen. Zehn Tage vor meiner geplanten Reise durch den Balkan, entscheide ich mich zu einem gewagten Unterfangen: dem Öffnen einer Nivea-Sonnencreme-Flasche.
Mit äußerster Konzentration löse ich den Deckel und schnuppere vorsichtig. Der typische Geruch von Sonnenschutzmittel umfängt mich fast augenblicklich, aber es ist mehr als das – es ist eine Woge von Erinnerungen, die mich übermannt. Erinnerungen an meine Kindheit, als meine Mutter mich mit Nivea-Schutzschmiere einrieb, als wäre ich ein zu marinierender Hähnchenflügel. War ich glitschig wie ein Aal, schickte sie mich mit einem kleinen Klaps auf den Hintern an den Strand. Das Abenteuer konnte beginnen und es begann meistens mit dem Wälzen im feinen Sand. Horden von panierten Kindern liefen dann gemeinsam über den Strand und lachten sich kaputt, über den Anblick der Spielkameraden.

Und hier stehe ich nun an diesem verregneten Tag, unpaniert, aber umhüllt vom Nivea-Duft und der Vorfreude auf das kommende Abenteuer. Es ist mir, als ob die Reise bereits in diesem Augenblick beginnt. Doch während ich in dieser Duftwolke der Vergangenheit schwebe, wird mir bewusst, wie sehr Kindheitserinnerungen die Realität verklären können. Die Nordsee war damals ein endloses Abenteuer, ein Ozean der Freiheit, wo jeder Wellenschlag eine Aufforderung zum Eintauchen war. Für Kinder bedeutet Freiheit das grenzenlose Toben in den Wellen, das Unbekümmerte, das Gefühl der Unsterblichkeit. Doch für Erwachsene wird Freiheit oft zu einem Konzept der Verantwortung, der Entscheidungen und der Ängste, die auf den Schultern lasten wie ein nasser Mantel.
Und doch, genau in diesem Moment des Innehaltens kann ich die Freiheit spüren, die in der Erinnerung lebt – die Freiheit, die selbst die dunkelsten Regentage erhellen kann und mich voller Vorfreude auf die kommende Reise lächeln lässt.

Torsten Gripp in der Badewanne

Form für das NICHTS.

Meine Teeschalen entstehen in der japanischen Kurinuki-Technik, jene subtraktive Methode, die stark von der Philosophie des Nichts, inspiriert von Lao Tse, beeinflusst ist. Zwar ist eine sorgfältig gestaltete Form das Ergebnis meiner Bemühungen, doch es ist die Leere, welche die Form definiert und ihre Funktion ermöglicht. Somit ist das Nichts, das den Tee aufnimmt, letztendlich von größerer Bedeutung als die Form selbst. Diese Verbindung zwischen künstlerischer Technik und philosophischem Konzept bildet das Herzstück meiner Arbeit.

Die Teeschalen laden dazu ein, sanft berührt zu werden. Die Berührung durch Hand und Mund entfesselt dann die besonderen Energien von Erde, Feuer und Wasser, die kunstfertig in das Gefäß eingebettet wurden. So verschmelzen Besitzer und Behältnis, und mitten in der Hektik des Tages entsteht ein Augenblick der Stille.

Dass letztlich der köstliche Geschmack des Tees den Gaumen erfreut, bildet den Höhepunkt dieser Reise in die Stille.

Torsten Gripp | Kurinuki und das NICHTS