Camino Português

CAMINOPORTUGUÊS

Für meine Pilgerreise nach Santiago de Compostela habe ich den Abschnitt zwischen der am Rio Douro gelegenen portugiesischen Stadt Porto und dem galizischen Santiago gewählt. Es ist ein Teil des Camino Português. Der Weg ist hervorragend markiert und es gibt gute Beschreibungen auf Deutsch und Englisch. Das immer dichter werdende Netz preiswerter Pensionen, Hotels und Herbergen spielt mir auch noch in die Hände. Zudem ist die Strecke mit 260 Kilometern überschaubar und der Startpunkt problemlos erreichbar.

LOSGEHTS

Ein Flugzeug bringt mich im Nullkommanichts nach Porto. Hier will ich nun zwei Tage bleiben und dann gemächlich losmarschieren.

STADTLEBEN

Bunte Häuser. Interessante Menschen. Alte Weinkeller mit dem allgegenwärtigen Portwein. Portos bekanntester Exportartikel. Entlang des Rio Douro dreht sich alles um dieses erlesene Getränk. Heinrich von Burgund hat sich im 11. Jahrhundert etwas einfallen lassen, als er die ersten Reben hier anpflanzen ließ.

Ich bin beeindruckt von der Stadt und dem Trubel in engen Gassen. Tauche ein in das lebendige Weltkulturerbe. Zwischendurch genieße ich jedoch die Stille alter Kirchen und Weinkeller. Lasse mich von ihrem Zauber einfangen. 

Porto. Heute Abend trinke ich auf dich.

ESSENGEHEN

…. so habe ich meine Pilgerreise im Stillen genannt. Den Tag über will ich entlang des Jakobweges gehen, mich und die Menschen kennenlernen, Gemeinschaft leben und meine Neugier stillen. Am Abend will ich essen, quasi mein Abendmahl einnehmen, ein wenig plaudern, den Alltag in Deutschland vergessen und die Wanderung mit dem klar bestimmten Ziel genießen.
In der christlichen Gemeinschaft hat gemeinsames Essen eine besondere Bedeutung und für mich bedeutet es, dass ich mich auf andere Menschen einlassen will.

Überall brodelt es in den Kochtöpfen. In allen Straßen riecht man Grillkohle und frisch zubereiteten Fisch. Es wird meisterhaft gekocht und herzhaft gegessen. Dazu wird einfacher Wein ausgeschenkt. Der Camino Português scheint mir, ist wie für mich geschaffen.

EXPEDITIONJAKOBSWEG

In den alten Markthallen des Mercado do Bolhao in Porto wirkt es, als wäre die Zeit stehen geblieben. Ich bin verliebt in diesen Markt. Hier kaufe ich ein paar Kleinigkeiten für meine Reise ein, trinke eine Tasse Kaffee und beobachte die Menschen, die hier ihrem Beruf nachgehen, einkaufen oder einfach nur – wie ich auch – voller Begeisterung die Auslagen betrachten.

Auf den oberen Rängen, neben dem Fischhändler, macht eine Möwe Rast, breitet dann langsam die Flügel aus und lässt sich mit einem leisen Schrei in die Tiefe fallen, dreht eine Runde und verschwindet Richtung Meer.
Und auch ich wende mich Richtung Meer. Mein kleines Abenteuer soll endlich beginnen.

TAGEINS

Kaum hinaus aus der Stadt bin ich auch schon auf dem Jakobsweg. Meinem Jakobsweg. Ich gehe am Leuchtturm von Porto vorbei und lasse mir den Wind um die Nase wehen. Langsam verschwinden die Konturen der Stadt und es wird ruhig um mich. Auf dem hölzernen Weg begrüßt mich eine Inschrift und wünscht mir eine gute Reise. Ein erster gelber Pfeil zeigt mir wo es hingeht.

Nach einigen Kilometern wird die Landschaft sogar ursprünglich und wild.

Wahnsinn.

BLICKZURÜCK

Nach zehn Kilometern ein letzter Blick zurück.
Eine unwirkliche Kulisse bildet sich für mich ab: dunstiger Himmel, glitzerndes Meer und die Industrieanlagen von Porto. Ich fühle mich wie in Wesseling, meiner Heimatstadt.

Zehn Kilometer liegen nun hinter mir. Vor mir liegen noch mehr als 250 weitere Kilometer. Erste Zweifel überkommen mich. Links und rechts überholen mich andere Pilger und ich fühle mich sehr allein. Ich mag nicht mehr weiter gehen und denke an all die schrecklichen Dinge, die mir widerfahren können. Ich fürchte geschlossene Herbergen und schnarchende Menschen, üble Gerüche und miese Stimmungen.

Ich fühle mich nicht gut.

STRANDBESUCH

Immer am Strand entlang. Als nach einigen Kilometern die ersten bunten Häuser an der Wasserlinie auftauchen, kann ich es kaum fassen. Hier leben Fischer mit ihren Familien. Ihre Boote sind am Strand geparkt, die Ruder haben sie zwar gegen starke Außenbordmotoren getauscht, aber sonst wirkt es auf mich, als wäre ich im Mittelalter.

Für Touristen haben sie aus ihren Wohnzimmern kleine Restaurants gemacht. In einem sitze ich und kann mich mal wieder nicht verständlich machen. Der Mann am Nebentisch hilft und weist auf seinen Teller voller Muscheln: „Das musst du essen! Die sind wirklich gut.“ Hans, so heißt er, kommt aus den Niederlanden, hat aber lange in England und China gelebt. Er hat nun eine kleine Familie in Portugal und liebt das Leben.

Ich kann mich gar nicht satt sehen. Unglaubliche Farben, Gerüche und dann das Meer….! Langsam geht die Sonne unter und das Licht wird unwirklich. Ich denke an meinen Traum und lächle still in mich hinein.

Fischerutensilien Jakobsweg

Das gibt es doch gar nicht….

GRILLABEND

Sonnenuntergang am Meer. Die letzten Sonnenstrahlen winken mir zu und verschwinden. Fast ein bisschen wie in meinem Traum und sehr kitschig, aber so verabschiedet sich mein erster Pilgertag tatsächlich von mir.
Überall am Strand liegen die Utensilien der Fischer und warten auf den nächsten Tag. Dann der unvermeidliche Grill mit Fleisch und allerlei Meeresfrüchten.

Wenn es so weiter geht, dann wird die Pilgerreise ein Fest. Sollte ich mich tatsächlich richtig entschieden haben? Dieser Abend wischt alle Zweifel beiseite, ich beginne zu sinnieren, bestelle noch ein Glas Wein und lasse meinen Gedanken freien Lauf.

Schlafen werde ich heute auf einem Campingplatz.

MORGENNEBEL

Vor mir liegt ein langer Weg. Wenn alles so schön und inhaltsreich wird wie der gestrige Tag, dann ähnelt die Herausforderung einer Pilgerreise eher einem Spaziergang. 

Sollten nun plötzlich Seeungeheuer oder Seeräuber in alten Schiffen kommen, so würde mich das auch nicht mehr wundern. Wie ein kleines Kind nehme ich alle Eindrücke in mich auf und lache laut. Bin ich „verrückt“? 
Wilde Landschaft, raues Meer, seltsame Vegetation und das kaum 25 Kilometer von Porto entfernt. Mit dem Auto ein paar Minuten. Ich bin dafür fast zwei Tage gelaufen.

Oft bleibe ich stehen, fotografiere und vergesse dabei die Zeit. Meine Mitpilger hasten an mir vorbei. Sie wollen ihre Tagesetappe schaffen. Ich belächle ihren Eifer und laufe einfach nur solange es mir Spaß macht.

Meine Füße tun ein bisschen weh.

GEBÄNDIGTELANDSCHAFT

Die Küste an diesem Streckenabschnitt ist wunderschön, aber leider muss ich auf Holzplanken laufen. Immer im Zickzack. Nach einigen Kilometern komme ich mir vor wie ein Hamster im Laufrad. Egal, besser als die Schuhe voller Sand. Und wenn ich will, dann kann ich auch an der Wasserlinie entlang laufen.

An dieser Küste sollen in den letzten Jahrhunderten viele Schiffe gescheitert sein. Aus diesem Grund findet man überall Gedenksteine und Hinweistafeln auf die armen Seelen, die ihr Leben verloren haben. Beeindruckt lege ich Steine auf die Gedenksteine.

Über der Küstenlandschaft liegt der Morgennebel, der den ganzen Tag nicht weniger wird. Macht aber nichts, ich bin frohgemut und meine Beine sind noch nicht müde. Gut, dass ich die Trekking-Stöcke mitgenommen habe. Sie sind ein echter Gewinn auf dieser Strecke.

Meine Füße tun nun wirklich weh.

ABZWEIGUNG

Der Weg führt mich langsam weg vom Meer, hinein ins Landesinnere. Meine Mitpilger haben  kleine Spuren hinterlassen. Steine. Ich lege mir auch einen  Vorrat zu und bewahre die Tradition des Steinauflegens wo immer ich Gelegenheit habe.

Die Straßen und Wege sind sehr oft gepflastert. Das ist einerseits schön, andererseits tun mir nun auch noch die Fußgelenke weh. Sie müssen die Unebenheiten ausgleichen und kommen so langsam an ihre Grenzen. Sie schmerzen sehr und ich habe keine Lust mehr weiterzulaufen.

Die nächsten Stadt soll nicht sehr schön sein, sagt der Reiseführer. Schlafen und weiter. Das Wetter ist auch nicht wirklich gut. Man sieht fast nichts; das wirkt romantisch, macht aber ein wenig verdrießlich. Fehlt nur noch der Hund von Baskerville.

Na ja….

STADTIMNEBEL

Die nächste Stadt ist wirklich hässlich. Zwar tut sie alles um Touristen anzulocken, aber es ist eine Schlafstadt ohne jegliche Ausstrahlung. Lediglich im Hafen lockt ein altes Schiff aus vergangenen Zeiten. Ich bin total enttäuscht. Will nur eines: schnell weg. Dabei muss ich hier doch schlafen. Ein erster Versuch in einer Pension endet bei einer unfreundlichen Wirtin mit total überzogenen Preisvorstellungen. Für ein stinkendes Loch soll ich 45 Euro bezahlen. Mach ich aber nicht. Weiter gehts….

Scheiß Füße. Scheiß Stadt.

RATSCHLAG

Hier hole ich mir Rat. Frage nach einer guten Unterkunft für Pilger. Trotz Sprachschwierigkeiten kommt nach wenigen Minuten ein Taxifahrer angebraust, bringt mich auf abenteuerlichen Wegen zu einem Palazzo und …. fährt weiter. Ich stehe vor dem großen Tor und überlege, ob ich gerade Opfer böser Buben wurde, als es sich öffnet und ein freundlicher Herr sein Hotel aus dem Mittelalter für einen Pilger aus Deutschland öffnet.

Ob ich mir dieses Schloss leisten kann?

GÖTTERDÄMMERUNG

Ich habe ein urtümliches Zimmer in diesem alten Gemäuer. Antike Möbel und seltsamer Zierrat lassen mich staunen.  Meine Wäsche wird auch noch gewaschen und eine Schlossbesichtigung ist inklusive. 

Am Abend bekomme ich mein Abendmahl von der Hausherrin persönlich. Fünf Gänge in Gesellschaft  arroganter Luxuspilger aus Schweden und England; dazu reichlich Wein.

Ich beende den Abend gegen Mitternacht mit einem seltsamen Gefühl und gehe leicht beschwipst ins Bett. Sieht romantisch aus, mein Bett, es ist aber hart, unbequem und macht seltsame Geräusche. Dafür riecht das Leinen nach frischer Luft und Meer.

Ach…

ERNTEZEIT

Überall wachsen Kiwis, Zitronen, Apfelsinen, Weintrauben und Maronen. Ich fühle mich eingeladen, nasche bedenkenlos und wähne mich im Überfluss.
Morgens verzichte ich oft auf ein Frühstück. Ich genieße unterwegs das Gefühl von Hunger und gebe dem Verlangen, mit dem mein Körper signalisiert, dass es Zeit wird Energie aufzutanken, erst im letzten Augenblick nach. Dafür setze ich mich in eine Bar und trinke meinen ersten Milchkaffee; dazu ein Schinkenbrot mit Käse. Satt und zufrieden setze ich dann meinen Weg fort.

So langsam habe ich mich eingelaufen. Die Füße tun zwar immer noch weh, aber nach ein paar Metern geht es wieder und Blasen, habe ich auch nicht. Der Rucksack ist leicht und er drückt kein bisschen.

Bin ich leichtsinnig, wenn ich singe? Egal, ich summe ein wenig.

ALTESTEINE

Alte Kirchen und Kapellen findet man auf dem Jakobsweg in jedem Ort. Besonders hat es mir die kleine, sehr schlichte Kirche São Cristovao in Arcos angetan. Sie wurde zur Zeit der Tempelritter erbaut. Im Inneren kann ich eine Schwingung spüren, die mich innehalten läßt. Die Zeit scheint für einen Moment ohne Bedeutung.

Als ich nach draußen schaue und aus dem Eingang Sonnenstrahlen in die Kirche fluten, habe ich das Gefühl, dass gleich eine Schar der Ritter kommt, um mich auf meinem Weg zu beschützen…

Langsam beginne ich zu spinnen.

NACHDENKLICHES

Wenn es anstrengend wird, beginnt meine Suche nach Luxus und Genuss. Wie schön war es im Palazzo. Für mindestens zehn Sterne habe ich mich wohl gefühlt. Doch es bleibt die Frage, ob ich immer den Luxus brauche, um mich wohl zu fühlen. Ich denke nicht und doch… es bleiben Zweifel.

Auf den Sims der Templer-Kirche liegt nun für eine Weile eine Muschel mit Stein. Ich habe dieses Päarchen am ersten Tag am Meer gefunden. Glattgeschmirgelt vom Sand gleiten die Handschmeichler, die  einen festen Platz in meiner Hosentasche haben, immer wieder wie von selbst in meine Hand. Das macht mir Freude. Aber nun sind sie hier.

Die Kilometer, die vor mir liegen, werden weniger und elementare Fragen, die ich mir zum Leben stelle immer mehr. Egal, ich werde nun einfach mal weiter marschieren. Den gelben Pfeil suchen und mich führen lassen. Wohin ist klar, wie es sein wird, weniger und warum ich überhaupt losgegangen bin, nun ja, ich lasse mich mal drüber nachdenken.

Ich habe ja Zeit.

MITTENDURCH

Eukalyptuswälder. Wege und viele andere Menschen auf demselben Weg. Schweigsame Menschen, die still vorübergehen. Leutselige, die ungefragt und laut alles teilen, was ihnen wichtig erscheint. Alle grüßen mit den Worten:
BUEN CAMINO.
Ein Pfeil zeigt nach rechts. Er ist gelb. Der andere Pfeil zeigt nach links. Er ist blau. Blau steht für Fatima. Wieder ein Wallfahrtsort. Es ist wie im Leben, man muss sich für eine Richtung entscheiden. Ich bin der mit dem gelben Pfeil.
Fatima? Ich kenne die Geschichte, aber dorthin pilgern? Wieder mal Stoff zum Nachdenken. Immer dem gelben Pfeil nach. Fröhlich blitzt er an jeder Stelle, an der man sich orientieren muss und die Frage nach dem richtigen Weg erübrigt sich. Und doch, an einigen Stellen habe ich mich, verträumt wie ich nun mal bin, verlaufen. Aber immer, immer gab es Menschen, die mich höflich ermahnt haben auf dem richtigen Weg zu bleiben. Nie bin ich ohne Hilfe gewesen und nie habe ich mich wirklich gefürchtet. Es war, als würden mir Engel mit sanften Händen den Weg weisen. Diese Erkenntnis erwischt mich mitten im Laufen und mir kommen die Tränen.

Gott sei Dank ist niemand in der Nähe.

ALLERLEI

Pfeile, Schilder, Hinweistafeln und immer wieder nette Pilger, die mich auf dem Weg begleiten. Nun bin ich bereits einige Tage unterwegs und man kennt sich von von vielen Begegnungen auf dem Weg, in Herbergen, Bars und Kirchenbesuchen.

Englisch ist die Lingua franca der Neuzeit und so plaudere ich munter in dieser Sprache, die ich vor mehr als vierzig Jahren in der Schule gelernt habe.

Schade, dass ich mich in dieser Sprache nicht immer perfekt verständigen kann.

PILGERHERBERGEN

Nach jedem anstrengendem Pilgertag steht die Frage der Übernachtung im Mittelpunkt der Überlegungen. Das war im Mittelalter so und es ist auch heute noch die beherrschende Frage. Mittlerweile gibt es moderne Herbergen, die von netten Menschen geleitet werden und die mit allen Errungenschaften der Zivilisation ausgestattet sind. Immer gibt es W-LAN und warme Duschen. Die Betten sind in der Regel Doppelstockbetten und mindestens 20 Personen sind in einem Raum untergebracht. Frauen wie Männer. Alle schlafen gemeinsam – leider nie zur gleichen Zeit.

Wer früh kommt, hat auch Platz für die gewaschene Kleidung auf der Wäscheleine. Ich hatte leider Pech mit einer meiner Herbergen. Mein Bettnachbar hatte Bettwanzen und eine Dame aus Deutschland hat mich geweckt, weil sie mein Schnarchen gestört hat.

Mist.

PERASPERAADASTRA

Alte Straßen und Brücken, die schon seit Jahrhunderten ihren Dienst tun. Die Römer, die dafür verantwortlich waren, haben damals wirklich für die Ewigkeit gebaut. Wenn ich an die heutigen Brücken denke …

Ein bisschen holprig ist es aber schon. Hoffentlich knicke ich nicht um.

Komisch, meine Füße tun nicht mehr weh.

WIEJETZT

Richtig und falsch. Noch nie war es so einfach für mich eine Entscheidung für das Richtige zu treffen. Der gelbe Pfeil ist mehr als ein Richtungsweiser, er wird zur Lebenshilfe.

MODERNES&ALTES

Der Weg führt unter einer Autobahnbrücke entlang. Sie ist gerade erst gebaut worden und die Wegführung ist alles andere als romantisch.

Wer auf dem Caminho Portugues die endlosen menschenleeren Weiten der Meseta oder der Via de la Plata sucht, hat sich hier eindeutig verlaufen.

ABENTEUERRUCKSACK

Einen Rucksack kaufen. Einpacken. Losgehen.
So dachte ich und doch sollte es Monate dauern, bis ich endlich den „richtigen Rucksack“ und die vielen kleinen einpackenswerten Gegenstände beisammen hatte.

Letztendlich hat mein Rucksack mit Kamera, Schlafsack, Kleidung , Wasser und Hygenieartikeln nur 7,9 Kilogramm gewogen.
Gefehlt hat mir nichts. Wenn ich aber noch einmal gehen sollte, dann wird einiges, das mir unentbehrlich schien, zuhause bleiben.

HÖHENUNTERSCHIED

Dieser Teil des Pilgerweges ist kein Wanderweg. Das wird mir beim Aufstieg sehr deutlich. Ein Höhenunterschied von vielen hundert Metern ist zu überwinden. Über Stock und Stein führt der „Weg“ hinauf. Wieder denke ich an Unfälle und Stürze jeder Art. Natürlich begegnet mir auf diesem Streckenabschnitt kein Mensch. Ob meine Mitpilger einen anderen Weg gewählt haben? Bin ich hier überhaupt richtig?

Das Gipfelkreuz spricht aber eine eindeutige Sprache. Vor mir sind viele Pilger hier gewesen. Viele haben Steine und andere Dinge auf das Kreuz gelegt. Ob sie es aus Dankbarkeit getan haben?

Kaum hinauf gegangen, geht es auch schon wieder hinunter. Nach zehn Minuten merke ich, dass meine Kamera noch oben auf der Bank liegen muss. Wäre jemand in meiner Nähe gewesen, mein Sprint nach oben hätte ihn sehr beeindruckt. 😉
Letztendlich ist alles gut gegangen.

Das hat sicherlich auch an meinem Schutzengel gelegen, der sich unermüdlich um mich gekümmert hat.

HALBZEIT

Der Wegweiser sagt es: Es ist Halbzeit. Nur noch 125 Kilometer bis nach Santiago. Die letzten Tage sind wie im Fluge vergangen. Leider soll das sonnige Wetter in den nächsten Tagen von einem Tief verdrängt werden. Regen ist angesagt, aber ich habe ja meine Ausrüstung gut zusammengestellt. Ich habe einen Poncho der Extraklasse. Den kann ich sogar als Zelt benutzen.

Seit gestern habe ich nicht mehr an meine Füße gedacht. Blasen habe ich immer noch nicht und die Schmerzen sind verschwunden.
Ich bin immer noch auf dem Weg.

Santiago ich komme.

MENSCHENSKINDER

Überall auf dem Jakobsweg sind mir Menschen begegnet. Ich konnte Geschichten erzählen und Erzählungen lauschen. Ich habe Freundschaften geschlossen, wertvolle Hinweise bekommen, sie weitergegeben und ich habe fremde Menschen umarmt, zu denen ich mich hingezogen fühlte.

Ich habe Kraft gegeben und getankt.

ABSCHIEDSSTIMMUNG

Mein letzter Tag in Portugal. Auf der anderen Seite kann ich Spanien sehen. Den Abend verbringe ich in und auf einer alten Festung. Schlafen werde ich in einem Hotel weit außerhalb der Altstadt. Zusätzlich zur Wegstrecke kommen noch die Stadtrundgänge innerhalb der Stadt. Insgesamt bin ich heute 37 Kilometer gelaufen.

Ich glaube, da hilft nur noch ein Glas Rotwein.
Oder zwei.

GRENZVERKEHR

Alles ist schön um mich herum, aber ich habe plötzlich keinen Sinn mehr dafür und fühle wie erschlagen. Das Essen ist auch keine große Herausforderung. Ich will nicht immer alles vom Grill…

Meine Stimmung ist wie aus heiterem Himmel gekippt. Keiner meiner Mitpilger ist zu sehen. Weit und breit niemand, der mich aus meinem Tief herausholen könnte.
Niemand.
Ich kann auf einmal nicht mit mir alleine sein. Keiner kann es mir recht machen und ich habe noch über hundert Kilometer vor mir. Bald soll es regnen. Na klar, das fehlte gerade noch.
Verdammt.
Gleich gehe ich schlafen in einem heruntergekommenen Hotel aus den 1970er Jahren. Der Portier dieses Hauses mit mehr als 200 Betten kann noch nicht einmal Englisch.

Auch das noch.

WIDERERWARTEN

Über eine alte Eisenbrücke geht es direkt nach Spanien. Tui wartet mit alten Mauern. Seltsam, die Menschen hier sind etwas freundlicher und es scheint, dass sie mit den Pilgern besser umgehen können.

Regnen tut es auch nicht.

SPANIENOLÉ

Zum Bier gibt es jetzt Tapas. Meine Mitpilger sind wieder da und gemeinsam entdecken wir Spanien. Doch erst ist Waschtag!

Ein Besuch beim örtlichen Polizeichef verläuft sehr positiv und ich werde mit einem schönen Anhänger der Kriminalpolizei ausgestattet. Der kommt gleich an meinen Rucksack.

Die Welt ist wieder in Ordnung.

SPANISCHEWEGE

Noch 91 Kilometer. In Spanien werden alle paar Meter die verbleibenden Kilometer auf Wegweisern aus Beton angezeigt. Ein netter Service, der mich fröhlich macht.

Spanien unterscheidet sich landschaftlich kaum von Portugal. Nur alte Kornspeicher sind überall zu sehen.

Morgen geht es wieder Richtung Wasser. Ich freue mich auf den Geruch nach Meer und Seetang und stelle mir die Frage, ob das Essen wieder gut sein wird.

Die Küchen dieser Welt sind alle gleich. Es wird die universelle Sprache der Liebe, die durch den Magen geht, gesprochen. Jeder versteht diese Sprache und jeder will sie kennenlernen. Essen. Ich denke immer nur an Essen und Schlafen.

Wenn doch nur die Betten ein wenig weicher wären.

RESOZIALISIERUNG

Im Mittelalter wurden Verbrecher dazu verurteilt, den Pilgerweg zu gehen. Fast immer kamen sie dabei um. Überlebten sie die Strapazen der Pilgerreise, galten sie als resozialisiert. Ob ich mich auch resozialisiere? Wer weiß, vielleicht komme ich als geläuterter Pilger zurück und niemand wird mich mehr verstehen…

Ich genieße die Landschaft, lediglich die innere Einkehr lässt auf sich warten. Schlafen und Essen, das ist im Zentrum meines Denkens.

Die wunderschöne Landschaft zieht mich dennoch in den Bann. Immer wieder.

WIEDERWASSER

Das Hotel an diesem Tag ist laut Reiseführer ein echter Geheimtipp. Und tatsächlich, es liegt sehr idyllisch direkt am Wasser.
Den Geheimtipp haben auch Busladungen voller Amerikaner beherzigt. Sie bilden einen interessanten Kontrast zur Ruhe im Haus. Was solls, sie haben sicherlich mehr bezahlt als ich.

ANLAUFNEHMEN

Ein lauschiges Plätzchen.
Nach einem Strandspaziergang und  Abendessen für viel Geld (Ambiente ist eben teuer…) falle ich ins Bett und schlafe den Schlaf der Pilger. Tief und fest. Leider habe ich in den Träumen meinen Engel, der mich so wacker beschützt, nicht getroffen.
Morgen geht es weiter. Die freundliche Bedienung hat mir einen Plan aufgezeichnet – er soll mich ein wenig schneller ans Ziel bringen.

Mal sehen.

BRÜCKENLAUF

Noch eine alte Stadt. Noch eine alte Brücke. Was habe ich gestern eigentlich gemacht? Gestern? Wann war das?
Das Gefühl für Zeit und Raum ist mir abhanden gekommen. Wieviel Kilometer noch?
Irgendwelche Pilger haben die Kilometerbezeichnung von den Markierungen geklaut.

Das finde ich nicht lustig.

RECHTERWEG

Ich komme nur langsam voran und habe Zeit nachzudenken. Die Innere Nabelschau will nicht enden. Immer wieder entdecke ich mich jedoch dabei, dass ich, wenn es eng wird und ich hart mit mir ins Gericht gehe, lieber die profanen Dinge des täglichen Lebens in den Fokus nehmen möchte. Die Zeit, die ich mir widme, wird zunehmend zu einer Last.

Jeden Tag begegnen mir die berühmten „auf-dem Weg-innewohnenden“ Grenzerfahrungen. Ich habe Zeit. Zeit zur ehrlichen Auseinandersetzung mit mir selbst; mit allem was mich ausmacht: meine Geschichte, meinem Körper, meinen Gedanken und Prägungen.
Will ich mir mit der Pilgerreise nach Santiago einfach nur ein gutes Schicksal sichern und den lieben Gott beindrucken? Mit meiner Mühsal die Gunst des Schicksal erkaufen? Je mehr ich mich damit beschäftige, desto deutlicher wird mir, dass ich bei einem Handel nur verlieren kann. Ergebnis: Ich handle nicht. Stattdessen will ich nur noch froh und munter sein. Dabei lasse ich mir von niemanden Einhalt gebieten und mit heiterer Gelassenheit will ich den rechten Weg weitergehen. Den Segen Gottes für meine Pilgerreise setze ich einfach mal vorraus.

„Gott segne mich!“ sage ich schnell und grinse vor mich hin.

RAST&RUH

 

An vielen alten Häusern gehe ich mittlerweile achtlos vorbei. Zu oft sind sie sich ähnlich.

Weniger achtlos bin ich mit den kleinen Raststätten für die Pilger. Bier und Erdnüsse. Gott sei Dank habe ich keine Allergie. Fast immer bekomme ich hier, wie auch in den Kirchen, einen Stempel für meinen Pilgerausweis.

DIEKÜCHE

Mit Begeisterung, so scheint es, wird auch in Spanien gekocht und mit der gleichen Begeisterung habe ich gegessen. Am liebsten Meeresfrüchte. Mit Wein. Weißwein.
Oft habe ich kein bestimmtes Gericht bestellt, sondern die Küche darum gebeten, mich nach Herzenslust zwei Stunden essen und trinken zu lassen.
Diese „Bestellung“ wurde immer mit großem Vergnügen an die Küche weiter gegeben und mehr als einmal haben die Köche alles gegeben.

SCHLECHTESWETTER

Von nun an soll es bis nach Santiago regnen.
In dem grünen Poncho sehe ich aus wie der Mork vom Ork, aber meiner guten Laune tut es keinen Abbruch. Alle paar Kilometer gibt es eine Kaffee-Bar zum Aufwärmen, Wegweiser sind deutlich zu erkennen und die Entfernung nimmt zusehends ab.

Ich bin nun ein routinierter Pilger, da kann mich doch das Wetter nicht aus der Ruhe bringen…!

Niemals.

NACHDERKIRCHE

Nach der Sonntagsmesse habe ich mich den Männern des Dorfes angeschlossen und genieße in der Dorfkneipe den frischen Wein mit typischen Tapas. Das Essen steht keinesfalls im Vordergrund, nein, es ist die Gemeinschaft. Leidenschaftlich werden sportliche Ereignisse diskutiert. Der Pilger aus Deutschland wird dabei in die Mitte genommen und darf teilnehmen. Sprachschwierigkeiten werden mit gestenreicher Kunstfertigkeit ausgeglichen.

FORTSCHRITT

Hotels, in denen die Zeit stehen geblieben ist. Schwere Holztüren und Messingbeschläge. Schlösser, die von erfahrenen Schlossern hergestellt wurden. Dicke Damasttischdecken und Personal, das sich dem Gast verschrieben hat.

Wieder tauche ich in den Luxus eines alten Hotels ein. Lasse mich verwöhnen und habe dabei noch nicht einmal ein schlechtes Gewissen, denn im Herzen bleibe ich ein Pilger. Jenseits der Türen tobt das normale Leben, hupen genervte Autofahrer und hektische Menschen kommen ihren Verpflichtungen nach.

Ich lasse mich im warmen Thermalwasser des Pools treiben, genieße die Sicht auf die Wolken, entdecke dabei seltsame Formen und hin und wieder muss ich grinsen.

Ich lebe in Frieden mit mir.

INDIANERJONES

Regen und Sturm pfeifen über die nächste Stadt hinweg. Kaum mag ich mein Hotelzimmer verlassen. Der Reiseführer verspricht nichts bemerkenswertes und ich denke darüber nach einen Lesetag einzulegen. Dann entdecke ich doch ein paar versteckte Hinweise auf den heiligen Jakob. Einigen davon und Symbolen gehe ich nach, fühle mich wie Indiana Jones und beginne meine Entdeckungsreise im Regen. Mit Hilfe von Hinweisen der hier lebenden Menschen erreiche ich nach endlosen Treppen ein Plateau, entdecke dort alte Steine und römische Säulen…

MYSTISCHESERLEBNIS

Atemlos und mit bangen Herzen laufe ich umher und weiß gar nicht wohin ich zuerst schauen soll. Das Plateau hier oben ist wie eine Offenbarung für mich. Der Himmel ist für einen Moment aufgerissen und Licht flutet über die Steine und die Bauwerke. Für diesen Moment habe ich die Reise unternommen, das wird mir unvermittelt klar. Santiago ist nicht länger Ziel, sondern vielmehr das Ende der Pilgerreise.
Ich bin angekommen. Mitten auf dem Weg bin ich angekommen.

Schnell mache ich ein paar Fotos. Lasse mich vor dem heiligen Platz fotografieren, hole tief Luft und verdränge das Erlebnis erst mal.

Verdrängen kann ich gut.

WASNOCH?

Ich bin den gelben Pfeilen und der stilisierten Sonne gefolgt. Sie waren Begleiter und sichtbares Zeichen. Nun werden sie mir den Weg bis nach Santiago zeigen und doch bin ich mir klar, dass das Ziel der Reise längst erreicht ist.

Das mystische Erlebnis oben auf dem Berg habe ich nicht geplant und sicherlich teile ich diese Erfahrung mit vielen anderen Pilgern. Was es konkret ist? Ich kann es nicht sagen. Vielleicht bin ich meiner Seele dadurch ein wenig zur Hilfe gekommen, dass ich mich von meinem Tun – hier in diesem Erdenwinkel – nie habe abbringen lassen.

Es ist ein seltsam schönes Gefühl mitten in dieser unfassbaren Landschaft mit all den Symbolen rund um den Heiligen Jakob zu stehen und zu staunen.

GENUGJETZT

Nach all den Erlebnissen will ich nur noch schlafen gehen. Immer in der Hoffnung, dass ich auch noch in den Träumen auf den Spuren der Jobobspilger wandern kann.

Wenn doch nur die Betten nicht so hart wären.

ANGEKOMMEN

Noch schnell über die Brücke und einen kleinen Hang hinauf… Santiago streckt seine Kirchturmspitzen nach mir aus.

Die Kilometer, die vor einigen Tagen noch vor mir lagen, sind nun Geschichte. Meine Erlebnisse auf dem Weg sind Geschichte. Ich bin am Ziel. Die Erleichterung, die ich eigentlich spüren sollte, bleibt jedoch aus. Wehmut breitet sich in mir aus. Statt froh und munter ein Liedchen zu pfeifen, bin ich wieder mal traurig. Verdammt.

Ich fange an zu fotografieren. Egal was.

ZUWENDUNG

In Stein gehauene Gesichter wenden sich mir zu; scheinen ein wenig erstaunt zu mir hinunter zu blicken. Reißen mich aus meiner Traurigkeit. Ich grinse mal wieder. Wie hunderte andere Pilger auch. Als wären wir in Trance, bewegen wir uns über den Vorplatz, pfeifen auf den Nieselregen. Legen uns platt auf den Rücken und lassen die Kulisse auf uns wirken. Friedlich vereint und alle mit diesem seligen Lächeln im Gesicht.

Nächstes Jahr komme ich noch einmal zurück. Will durch die heilige Pforte gehen, die jetzt vergittert darauf wartet im Heiligen Jahr geöffnet zu werden.

VOLLERRAUCH

Ich liebe den Geruch von Weihrauch und hier bekomme ich viel davon.

Rote Gewänder, Männer, die mit ernsten Mienen den großen, silbernen Weihrauchkübel mit glühender Kohle und Harzen bestücken, ihn in die Höhe ziehen und durch die Kathedrale fliegen lassen.

Die Stimme einer Nonne gibt dem Ganzen eine Note der Besinnlichkeit. Trotz der Sensation rund um das Weihrauchspektakel tauche ich mitten im Trubel in mich ein und kann die Nähe der Menschen, die diesen Ort vor mir besuchten, fühlen. Die Zeit bleibt stehen und macht mir deutlich, dass in diesem Moment ein ganzes Leben verborgen ist.

Ach…

FESTGEBUNDEN

Ein großes Seil mit knotigen Enden. An jedem dieser Enden ein Mensch.
Nur an hohen kirchlichen Festtagen oder gegen eine Spende lassen sie das Weihrauchfass fliegen. Routiniert gehen sie damit um und verwandeln die Kathedrale in einen Zirkus. Fehlt nur noch der doppelte Überschlag des Fasses kurz vor Erreichen des Endpunktes seiner rasanten Fahrt.

Macht nichts. Für mich bleibt das Besondere trotz der Beliebigkeit bestehen. Ich genieße den Duft und lasse mich von ihm entführen in die Welt der lächelnden Pilger.

Gut, dass ich die Reise unternommen habe.

OBENHERUM

Auf dem Dach der Kathedrale endet meine Pilgerreise und auch hier sind viele Details zu entdecken. Sorgfältig haben die alten Baumeister ihre Kirchen gebaut. Nichts ist dem Zufall überlassen worden. Beeindruckend mit welcher Liebe sie den kleinsten Ecken ihre Aufmerksamkeit geschenkt haben.

Nun nagt das Wetter und die Zeit an den Steinen. Langsam verschwinden ihre Konturen. Ihre Symbolik kann man nur noch ahnen und doch geht eine große Kraft von ihnen aus.

Faszinierend.

EINSICHT

Eine große Kathedrale. Gelenktes Licht. Ausgetretene Stufen. Der Mief von hunderten von Jahren. Mit Gold überzogenes Holz. Engel und Dämonen. Himmel und Hölle. Drohende Höhen und dunkle Ecken.
Scheinbar nebensächliche Details weisen auf dunkle Geheimnisse hin.

Welche Pracht mir da entgegen blinkt. Aber: ich lasse mich nicht ablenken. Liebe soll in meinem Herzen Wurzeln schlagen, ein Licht entzünden und mich stark werden lassen. Alles was ich dafür brauche, ist die Kraft los zulassen und den Mut, dem Licht zu folgen.

Dieser Weg soll mir der Schlüssel sein.

LETZTENDLICH

Ich habe meine Reise im Oktober 2015 unternommen. Insgesamt habe ich nur 15 Tage für den Weg benötigt. Den Aufenthalt in Porto und Santiago zähle ich dabei nicht mit. Nun, nachdem einige Wochen vergangen sind, kann ich sagen, dass mich die Reise tatsächlich nachhaltig verändert hat. Sie hat mir vor Augen geführt, dass das Leben nicht nur aus Genuss und noch mehr Luxus besteht, sondern aus vielen kleinen Abenteuern, die sich jeden Tag und direkt vor unseren Augen abspielen. Man muss sie nur erkennen und nutzen. Das Leben passiert. Einfach so und immer ohne dass Zeit oder unsere Pläne auch nur die geringste Rolle spielen. Es gibt nur einen einzigen Tag, der für das Leben von Bedeutung ist und der ist nicht Gestern und schon gar nicht Morgen.

Ich werde nie wieder Bedenken vor dem ersten Schritt haben und ich weiß nun, dass ich ankommen kann ohne das Ziel zu erreichen. Ein Tag auf einer Reise ist der Tag des Zweifels, ihn kann man nur durch den nächsten Tag besiegen. Der letzte Tag ist nicht zwingend der Schönste und scheinbar Nebensächliches wird aus einer anderen Perspektive zum Lebenselixier. Meinen genauen Platz im Kosmos habe ich noch nicht bestimmen können, aber Glück kann ich nun etwas besser begreifen. Wenn ich nicht sofort das erreiche, was in meiner Planung von Bedeutung war, bin ich nicht mehr so sehr betroffen. Der Weg dorthin ist mir wichtiger geworden. Ohnehin sind meine Ziele nicht mehr auf finanziellen Zuwachs oder Besitz ausgerichtet; vielmehr möchte ich ein guter Geschichtenerzähler oder Liebender sein. Ein Mensch, der tief in seinem Inneren einen kleinen Empfänger für den richtigen Moment und das Glück hat und sich dieses Reichtums auch bewusst ist.

Tief im Herzen habe ich die Erlebnisse meiner Pilgerreise verborgen. Manchmal will ich mich erinnern und dann davon erzählen.

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Auf meiner Reise hat mich eine kleine Kamera begleitet. Mit ihr konnte ich festhalten, was mich faszinierte oder in irgendeiner Form beeindruckte. Personen, die ich abgebildet habe, waren immer damit einverstanden.
Einige Bilder zeigen mich auf dem Jakobsweg. Das verdanke ich anderen Pilgern. Sie haben – mehr oder weniger freiwillig – mit der Kamera oder meinem Handy, das ich ihnen in die Hand drückte, die Dokumentation übernommen.

Hier können Sie sich das Bilderbuch der Reise anschauen. (Vorsicht: mehr als 40 MB!)