Vielleicht entdecke ich eine Pflanze, die mich unsterblich macht, oder einen Fluss, der alte Sorgen fortträgt, bis sie sich in der Strömung auflösen.
Der Frühling klopft an, sacht, aber unüberhörbar, wie ein alter Freund, der nach langer Abwesenheit wieder an die Tür tritt. Die Zeit ist gekommen, den Obstbaum zu beschneiden, den Lavendel zu bändigen und die Sommerkleidung aus ihrem winterlichen Exil zu befreien. Doch noch mehr als das ist es Zeit, mich nicht weiter zu verstellen, nicht in Rollen zu schlüpfen, nicht Erwartungen zu erfüllen, die nicht die eigenen sind. Einfach nur sein – und reisen.
Ich will fort. Nicht, weil ich fliehen muss, nicht, weil mich das Bekannte bedrückt, sondern weil die Welt ruft und ich antworten möchte. Weil das Unvorhersehbare lockt, das Noch-nicht-Gesehene, das Vielleicht-noch-nie-Gedachte. Mein Auto wird mein Begleiter sein, ein kleiner Kokon aus Bewegung und Stillstand zugleich. Es wird mir ein Dach über dem Kopf bieten, wenn es sein muss, und ein Versprechen von Freiheit, immer wieder neu eingelöst mit jeder Straße, die sich vor mir auftut. Geld? Ein wenig. Gerade so viel, dass ich mich nicht sorgen muss, aber wenig genug, um erfinderisch zu bleiben. Besondere Momente lassen sich eh nicht kaufen.

Die Orte, die ich durchquere, sollen mir ihre Namen nicht verraten. Es genügt, dass sie da sind, dass sie sich für einen Augenblick in mein Leben fügen, um dann wieder in der Ferne zu verblassen. Ich werde sie nicht besitzen, nicht katalogisieren, nicht als Trophäen meiner Reise an mich reißen. Ich werde sie nur erleben, mich an ihnen wärmen, an ihren Geräuschen, Gerüchen, ihrer Stille. Kommen und Gehen, das ist das eigentliche Ziel.
Ich werde Kirchen und Tempel besuchen, Opfer darbringen, aber ebenso still am Ufer des Meeres sitzen, mit bloßen Füßen im Wasser, und dem Spiegelbild des Himmels zusehen. Dankbarkeit braucht keine großen Zeremonien. Ein Baum kann ein Altar sein, eine Wolke eine Offenbarung. Die Geister, die mich auf meinem Weg begleiten werden – jene sichtbaren und unsichtbaren – mögen mir wohlgesinnt sein. Und sollte das Schicksal mir dennoch Prüfungen auferlegen, so werde ich sie annehmen, mit Neugier, mit einer Prise Gelassenheit und dem Wissen, dass alles Teil der Geschichte ist. Und wenn ich strauchle oder ins Zweifeln gerate, dann wird Friederike, mein treuer Schutzengel, an meiner Seite sein, mich mit einer leichten Brise oder einem sanften Zeichen daran erinnern, wie es weitergeht.
Ich will das Märchenhafte finden, das Verborgene, das Versponnene. Feenwohnungen zwischen den Wurzeln alter Bäume, Lichtstrahlen, die die Erde, auf der ich stehe, in eine goldene Bühne verwandeln. Vielleicht entdecke ich eine Pflanze, die mich unsterblich macht, oder einen Fluss, der alte Sorgen fortträgt, bis sie sich in der Strömung auflösen. Vielleicht ist es aber auch nur ein einfaches Mahl, das mich beglückt – ein Teller dampfender Suppe in einer kleinen, fremden Küche, geteilt mit Menschen, deren Sprache ich nicht spreche, aber deren Lächeln mir sagt, dass es nicht darauf ankommt.
Und am Ende, wenn die Reise sich zu einem leisen, wohligen Nachklang gefügt hat, werde ich schreiben. Nicht um zu berichten, sondern um zu bewahren, um den Momenten ein Zuhause zu geben, die sonst weiterziehen würden wie Wind über Felder. Vielleicht wird es ein Vers, vielleicht eine Zeile, vielleicht nur ein einzelnes Wort.
Und wenn ich wieder einige Tage daheim bin, wenn das Leben sich wieder in gewohnte Bahnen fügen will, dann soll mich die Reise im Traum sanft an die Hand nehmen, den Weg noch einmal mit mir gehen. Die ganze Nacht.