Ein Sandwich zum Frühstück

Bloß nicht zerkrümeln! Eine humorvolle Betrachtung des Lebens.

Ich frühstücke gern in Ruhe. Nicht, weil ich ein Gourmet wäre – mein Kühlschrank gibt selten Anlass zur kulinarischen Begeisterung –, sondern weil ich beim Frühstück am besten nachdenken kann. Manchmal über große Dinge. Manchmal über kleine. Und manchmal über etwas, das mir schlicht zwischen den Fingern liegt.

Heute ist es ein Sandwich. Und während ich es betrachte, kommt mir eine Eingebung. Es ist nicht nur ein Sandwich. Es ist die Zeit. Vergangen, gegenwärtig, zukünftig. Eine Philosophie aus Brot und Belag, platziert auf einem Teller.

Ein Sandwich als Zeitmaschine.

Die untere Brotscheibe symbolisiert die Vergangenheit. Sie trägt das Ganze, hält es zusammen – aber sie ist nicht immer so stabil, wie man glaubt. Manchmal ist sie noch warm und duftend, voller Erinnerungen, an die man sich gern klammert. Manchmal ist sie trocken und bröselt, sobald man sie berührt. Dann wünscht man sich, man hätte besser darauf aufgepasst.

Die obere Scheibe ist die Zukunft. Sie verspricht viel: Frische, Halt, vielleicht sogar einen Hauch von Perfektion. Aber wer einmal beherzt hineingebissen und auf eine unerwartete Gurkenscheibe gestoßen ist, weiß: Die Zukunft hält oft Überraschungen bereit.

Und dazwischen liegt die Gegenwart. Die Mitte, der Belag. Das, was zählt.

Die Kunst, in die Mitte zu beißen.

Niemand erinnert sich an eine besonders faszinierende Brotscheibe. Es ist der Belag, der den Geschmack bringt. Und trotzdem verbringen die meisten Menschen ihr Leben damit, an den Rändern herumzuknabbern. Oder sie starren auf die obere Scheibe und fragen sich, was wohl darunter liegt.

Ich habe das lange genauso gemacht. Habe über alte Brotscheiben sinniert, über verpasste Chancen und ungenutzte Möglichkeiten. Habe in die Zukunft geschielt, als könnte ich sie durch reines Nachdenken kontrollieren. Dabei ist mein Lebens-Sandwich längst fertig. Ich muss es nur essen.

Hineinbeißen oder abwarten?

Natürlich stellt sich die Frage: Wie isst man ein Lebens-Sandwich richtig?

Schnell, weil der Hunger kaum zu bändigen ist? Oder langsam, weil man genießen will? Wer zu hastig kaut, verschluckt sich. Wer zu lange wartet, beißt irgendwann in ein pappiges Etwas, das längst seinen Reiz verloren hat.

So, wie viele Leute, die nichts anderes tun, als über die richtige Methode nachzudenken, drehe auch ich mein Sandwich – von dem längst nicht mehr alles da ist – hin und her, prüfe die Konsistenz, suche nach dem perfekten Bissen, wäge Risiken ab. Und während ich noch überlege, wird langsam die Mitte kalt.

Der letzte Bissen kommt so oder so.

Egal, wie vorsichtig ich esse – irgendwann ist das Sandwich weg. Ich habe mir lange eingebildet, man könnte diesen Moment hinauszögern. Vielleicht durch besonders kleine Bissen? Oder indem man zwischendurch eine Pause macht?

Unsinn.

Ich kann nur eines tun: es ganz bewusst genießen.
Denn am Ende liegt nur noch der leere Teller da. Und es wäre doch schön, wenn man sagen könnte: Es war köstlich.