Wenn Routine zur Kunst wird.
Paul steht in der Fabrikhalle. Seit zwanzig Jahren schiebt er Schichten, presst Bleche, zieht Schrauben fest. Seine Hände sind rau, sein Rücken schmerzt. Er tut, was er tun muss. So ist das Leben, sagt er sich. Arbeit ist eben Arbeit. Mühsal formt den Charakter.
Ein paar Straßen weiter, in einer kleinen Werkstatt, sitzt ein Mann am Arbeitstisch in seiner Keramik-Werkstatt. Er formt Ton, seine Finger tanzen über das Material. Hoch hält er den Becher in das LIcht. Dreht ihn hin und her. Er beobachtet, wie sich die Form verändert, wie die Sonnenstrahlen auf der Oberfläche spielen, verliert sich in der Bewegung, lacht leise. Auch er arbeitet – aber anders.
Eines Tages treffen sich die beiden. Paul kommt zufällig in die Werkstatt, als der Töpfer gerade eine Tasse glasiert. Die Glasuren fließen ineinander, ergeben eine seltsam anmutende Farbe… „Du hast es gut“, sagt Paul. „Du spielst den ganzen Tag, während andere schuften.“
Der Töpfer blickt auf. „Aber ich arbeite doch“, sagt er. „Schau genau hin.“
Paul verschränkt die Arme. „Das ist doch keine Arbeit. Arbeit ist anstrengend, Arbeit muss wehtun.“
„Muss sie das? – fragt der Töpfer mit einem Lächeln. Oder folgen wir nur alten Verhaltensmustern?“ Er dreht die Tasse in der Hand. „Es gibt zwei Wege, Dinge zu tun. Du kannst es auf die harte Tour machen, du kannst dich abmühen. Oder du kannst in die Arbeit eintauchen, sie fließen lassen. Dann trägt sie dich.“
Paul runzelt die Stirn. „Und wenn ich diese Freiheit nicht habe? Wenn die Arbeit schwer ist?“
„Dann hilft es, das Spiel zu finden. Sieh hin wie ein Kind, das gerade etwas entdeckt. Stell dir vor, du bist ein Künstler, auch wenn du nur Schrauben anziehst. Wer sagt, dass du nicht Meister deiner Bewegung sein kannst?“
Paul lacht auf. „Meister im Schraubenanziehen?“
„Warum nicht? In Japan gibt es Tee-Meister, deren Kunst es ist, Wasser aufzugießen. Mehr nicht. Sie sind ihr ganzes Leben damit beschäftigt. Es kommt darauf an, wie du es tust. Arbeit, die man gerne macht, ist keine Arbeit“.
Paul schweigt. Irgendetwas von den Worten bleibt bei ihm hängen. Am nächsten Tag, als er in der Fabrikhalle steht, beobachtet er seine Hände. Sie haben jahrelang dasselbe getan, immer mit Anspannung. Aber was, wenn er es anders machte? Wenn er einen Rhythmus darin fände, einen Fluss?
Er probiert es aus. Erst zaghaft, dann spielerischer. Fast wie ein Dirigent hält er sein Werkzeug. Die Schrauben folgen seinen Bewegungen. Er ist ihr Meister. Und für einen Moment fühlt sich die Arbeit leichter an. Er sieht sich um. Die anderen schuften wie immer, mit gesenkten Köpfen. Niemand lacht. Aber in ihm regt sich etwas Neues. Er spürt, wie sich sein Atem beruhigt.
Vielleicht, denkt er, ist Arbeit nicht nur das, was man tut. Sondern auch, wie man es tut.