
Der goldene Schluck
Ein kleiner Becher. Grünglasur, Risse wie Landschaften. Roh, archaisch. Und doch: ein Thron für das Konzentrat der Freude. Ristretto – flüchtiger als ein Lächeln, dichter als ein Gedicht. Was andern zu wenig ist, ist mir genug. In diesem einen Schluck liegt der ganze Morgen, der ganze Mut, der ganze Tag. Keine Hast. Keine Menge. Nur Essenz.
Die Tasse selbst: im Kokoro-Kurinuki-Stil geboren. Gehalten wird sie von einer goldenen Hand. Ein skulpturaler Widerspruch, kantig, mechanisch, fast göttlich. Doch was sie trägt, ist Leben. Glut. Bitterkeit. Wärme. Der Ristretto wird zum Ritual. Nicht geschluckt, sondern empfangen. Getrunken wird mit Achtung, nicht mit Durst.
Der Durchschnitt greift zum Becher. Ich greife zum Moment. Und finde darin Geschmack, der bleibt. Länger als jeder Kaffee. Tiefer als jede Tasse. Denn Hochgenuss beginnt nicht im Mund. Er beginnt in der Haltung. Und mündet manchmal in einem winzigen Becher, der in einer goldenen Hand ruht.
