Wenn Glück leise durch Alltagstüren schlüpft.

Es geschieht meist beiläufig. Ein Streiflicht auf der Fensterscheibe. Der Geruch von Kaffee zum Frühstück. Keine großen Taten, kein Applaus. Und doch ist es da. Dieses kleine, flüchtige Gefühl, das man Glück nennen könnte. Wenn man nicht gerade mit etwas Wichtigerem beschäftigt wäre. Es sind keine heldenhaften Momente. Kein Paukenschlag, kein Finale mit Lichtorgel.

Ich habe gelernt, es zu bemerken. Oder besser: wieder zu bemerken. Denn irgendwann haben wir es einmal gekonnt. Als Kinder. Als Unwissende. Als Stauner. Damals war jeder Tag eine Sammlung kleiner Wunder. Heute ist es eher eine To-Do-Liste.

Der Mensch neigt dazu, das Große zu suchen. Den Sonnenaufgang am Meer, irgendwo auf den Malediven. Den Sonnenuntergang vom Berggipfel im Himalaya. Als Beweis, dass das Leben spektakulär ist.
Ich schaue lieber aus dem Fenster. Der besagte Sonnenstrahl auf der Fensterbank reicht mir. Ich habe keinen Ehrgeiz, mich weit weg zu träumen, wenn es hier still und schön ist.

Ich gehe zum Beispiel gern in die Sauna. In der Sauna, da ist jeder gleich. Da fallen die Rollen ab wie nasse Handtücher. Da zählt kein Titel, kein Kontostand. Nur die Wärme. Das Schwitzen. Die stillen Blicke. Manchmal auch ein Gespräch. Über Gott. Oder über die Aufgussdauer. Oder beides. Ich liebe es dort. Wegen des Dampfes. Der Entspannung. Des genauen Spürens. Ich ziehe mich aus, außen wie innen. Und tauche ein.

Mein Freund versteht das nicht. Er zahlt seine Mitgliedschaft für ein Fitness-Studio, geht aber nicht hin. Für ihn ist es Verpflichtung. Für mich ist es Freude. Er sagt: Du machst ja nichts. Und ich denke: Genau. Ich tue nichts, und das mit voller Absicht.

Meine Sinne sind so eingestellt, wie ein altes Radio. Auf Freude. Auf Wärme. Auf das kleine Ja mitten im Tag. Manchmal gelingt es. Nicht immer. Aber oft genug. Man sagt, Glück sei nicht planbar. Das stimmt. Aber man kann ihm begegnen, wenn man die Richtung kennt. Und wenn man nicht zu viel Gepäck dabei hat.

Ich bin ein leichter Mensch. Nicht im Denken, da kann ich mich verlieren. Aber im Genießen. Ich brauche nicht viel. Kein Spektakel, kein Lärm. Eine warme Bettdecke genügt.

Einmal lag ich nach dem Yoga regungslos auf einer Matte. Der Schweiß kühlte langsam ab. Ich hörte das Ticken der alten Uhr an der Wand. Und spürte: Alles ist da. Ich brauche nichts. Ich bin da. Ich atme. Das ist Glück. Kein Jubel, kein Feuerwerk. Nur Atem. Und Gewissheit.

Meine Lieblingstante Friederike hat mir das Staunen beigebracht. Und das Lieben von kleinen Dingen. Damals war sie noch lebendig, mit Kleidern voller Lavendelduft und einem Blick, der durch alles hindurchsah. Sie wusste, dass ein Löffel Honig am Morgen mehr heilen kann als ein ganzes Medizinstudium.

Ich glaube, sie lebt noch. Vielleicht nicht als Mensch. Aber als Ahnung. Als mein Schutzengel. Als sanfte Lenkung in Momenten, in denen ich den Kopf senken und wieder sehen darf. Seit ich das glaube, geht es mir besonders gut. Woran ich merke, dass sie da ist? Am Bauchgefühl. An meiner Intuition. Immer, wenn ich leise werde.

Friederike mochte das Unauffällige. Den leichten Staub in einem Sonnenstrahl. Das Knarren einer alten Treppe. Den Moment, in dem man ohne Grund lächelt. Sie hat mir erklärt, dass das Glück flüchtig ist. Dass man es nicht festhalten muss, um es zu würdigen. Im Gegenteil. Dass man es weitergeben soll, verschwenderisch. Glück ist wie ein Schmetterling, der sich niemals zweimal auf dieselbe Schulter setzt. Wenn du es behalten willst, sagte sie, dann schau ihm einfach nur hinterher.

Ich tue das. Ich behalte es nicht. Ich teile es, wie man Kuchen teilt, obwohl man selbst noch Hunger hat.

Ich glaube, das reicht.