Reisefieber

Nun, da stehe ich also, vor meinem weißen Micro-Camper, bereit für ein Micro-Abenteuer im herbstlichen Europa. Der Wagen ist nicht besonders groß, aber oho! Ich möchte schließlich nicht in einem rollenden Puppenhaus stecken, aber auch keinen überdimensionierten Monstertruck durch die idyllischen Dörfer Europas manövrieren. Ein Micro-Camper, der groß genug ist, um sich darin auszustrecken und klein genug, um in unauffälligen Parklücken zu verschwinden, das ist der Schlüssel. Alles, was ich brauche, passt hinein, und… ich muss mich nicht zu einem menschlichen Origami zusammenfalten. Es gibt ein bequemes Bett, eine winzige Kochgelegenheit und sogar eine Toilette. Ja, ihr habt richtig gehört, eine Toilette! Das ist mein Luxus, auf den ich nicht verzichten will. Notdurft mit Stil, sozusagen.

Ich sehe mich schon, irgendwo mitten in Europa, mit einem tragbaren Gaskocher und einem kleinen passiven Kühlschrank – den treuen Begleitern meiner kulinarischen Odyssee. Selbstversorgung ist die Devise, aber keine Sorge, ich plane nicht, Fliegen zu fressen, es sei denn, sie sind in einem exotischen Gericht verarbeitet. Mein liebstes Unterwegs-Mahl: Kartoffelstampf mit Möhren. Frisch, versteht sich. Doch bevor ich mich in die Tiefen der Selbstversorgung stürze, werde ich mit Sicherheit von den verlockenden Düften lokaler Restaurants magnetisch angezogen. Ein einfacher Spaziergang durch die pittoresken Gassen, und schon werden mich die Aromen umgarnen, die meine Geschmacksknospen vor Entzücken Purzelbäume schlagen lassen. Es wird ein innerer Konflikt, hin- und hergerissen zwischen dem Charme der Selbstversorgung und den kulinarischen Verführungen, das ist mal sicher.
Wer könnte den Düften von frischem Croissant und heißem Espresso widerstehen? Oder den Versuchungen von cremigem Speiseeis, das in der Sonne schmilzt wie ein flüssiger Traum? Die Entscheidung zwischen Selbstversorgung und den einladenden Düften der Restaurants wird zu einem endlosen Kampf, aber eines ist sicher: Nach vielen gastronomischen Abenteuern und vielleicht ein paar verbrannten Pfannkuchen werde ich mein kulinarisches Gleichgewicht finden.

Denn am Ende geht es bei einer Reise nicht nur darum, neue Orte zu erkunden, sondern auch darum, den Geschmack der Welt zu kosten. Ob ich dabei in meiner eigenen improvisierten Küche experimentiere oder in einem malerischen Straßencafé sitze – kulinarische Überraschungen sind garantiert. Ein Reisetag ohne mindestens eine kulinarische Entdeckung ist für mich wie ein unvollendetes Kapitel in einem spannenden Buch. Und so wage ich mich weiter auf meine kulinarische Reise, bereit für alle Abenteuer, die auf meinem Teller und in meinen Töpfen auf mich warten.

Aber was ist mit der Tarnung? Wie um Himmels willen vermeide ich es, als Tourist aufzufallen? Nun, ich ziehe die Taktik der zufälligen Gesten und Kommentare vor. Ich werde zwar die ungeliebten Karten studieren, aber ich werde so tun, als wüsste ich genau, wohin ich fahren muss, selbst wenn ich absolut keine Ahnung habe. Ich werde mit lokalen Ausdrücken jonglieren und so tun, als hätte ich in einem Café in Paris eine Stunde lang über Politik diskutiert. Wenn jemand nach dem Weg fragt, werde ich beiläufig in irgendeine Richtung zeigen, als wäre ich ein alter Hase in diesen Gefilden.

Die richtige Ausrüstung für ein Abenteuer im Mini-Camper oder gar die richtige Kleidung im herbstlichen Europa mag kompliziert erscheinen, aber es ist nur eine Kleinigkeit im Vergleich mit der fast schon existenziellen Frage, ob ich nicht doch lieber in einem Hotel statt in meinem gut ausgestatteten Camper schlafe. Auch diesen Kampf werde ich viele Male während der Reise bestehen müssen. Ich fürchte, die Hotels werden mich anziehen wie das Licht die Motten. Ich lasse mich allzu gern vom Leben verführen.

Doch nun Schluss mit dem Gedankenquatsch. Morgen schließe ich in Wesseling die Türen hinter mir, steige ins Auto, starte den Motor und sehe, was dieses herbstliche Europa für mich bereithält.
Und denkt daran, wenn ihr einen seltsamen Kerl in einem Mini-Camper seht, der sich als Einheimischer ausgibt, könnte ich es sein. Oder vielleicht auch nicht. Das ist der ganze Spaß an der Sache!

Auf und unter Provins

Eben noch in Wesseling, schon bin ich auf der Autobahn Richtung Frankreich, und es dauert nicht lange, bis ich die Landesgrenze erreiche. Meine Navi-Dame ist eine echte Perle. Ihr Französisch ist so miserabel, dass selbst meine Sprachkünste in dieser Sprache wie ein Gedicht klingen. Aber trotzdem navigiert sie mich tapfer durch den chaotischen Verkehr. Aber was mir hier auffällt, sind diese teuflischen Geschwindigkeitsblitzer. Man könnte fast meinen, Frankreich hätte eine eigene Armee von modernen Raubrittern, die sich darauf spezialisiert haben, unachtsame Reisende zu plündern. Und ratet mal, wer zweimal in ihre Falle getappt ist? Richtig, genau der Kerl, der hier gerade schreibt. Wenn das so weitergeht, werde ich am Ende mehr für Strafzettel bezahlen als für meine Unterkunft mit Essen und Trinken. Morgen werde ich mich definitiv zusammenreißen und vorsichtiger fahren. Oder vielleicht ein paar Rüstungen und ein Schwert besorgen, um diesen Blitzer-Banditen die Stirn zu bieten.

Schließlich erreiche ich Provins, eine bezaubernde Stadt, die sich perfekt für eine Zeitreise ins Mittelalter eignet. Offenbar haben auch andere Touristen diesen Schatz entdeckt, aber das stört mich nicht weiter.

Die Ferienwohnung, die ich lange im Voraus gebucht hatte, übertrifft alle Erwartungen. Die Räume sind liebevoll eingerichtet und die Gastgeber ausgesprochen nett, und die Altstadt von Provins ist ein wahrer Traum. Das Wetter spielt auch mit, und so verbringe ich meinen ersten Tag mit langen Spaziergängen quer durch die Stadt.

Später, am Nachmittag, steht eine Tour durch die Katakomben an. Mir kommt es vor, als wäre die gesamte Altstadt von Provins ein gigantisches Labyrinth aus Kellern. Ein bisschen gruselig, aber gleichzeitig unglaublich faszinierend. Ich kann mir kaum vorstellen, wie viele Geheimnisse diese Gänge verbergen. Vielleicht finde ich ja einen verlorenen Schatz oder ein vergessenes Rezept für mittelalterlichen Kuchen. Wer weiß? Das Abenteuer ruft, und ich bin bereit, ihm zu folgen.

Und dann, am Abend, gab es ein Croque Monsieur. Das ist im Grunde genommen nur ein Toast, aber hier wird er mit so viel Liebe gemacht, dass es einem das Herz aufgehen lässt. Das ist französische Handwerkskunst auf dem Teller. Es hat fantastisch geschmeckt, und die anderen Gäste haben sich gefreut, dass der komische Deutsche ihre einfachen Köstlichkeiten zu schätzen weiß.

Spätabends, ich liege tatsächlich auf einem französischen Bett. Eigentlich sollte das schön sein, aber es fühlt sich mehr wie ein Trainingslager für Hardcore-Turner an als ein gemütlicher Ort, um die Eindrücke des Tages zu verarbeiten. Mein Körper sehnt sich nach Ruhe, nach einem weichen Plätzchen zum Ausruhen. Doch hier scheint es, als hätte jemand beschlossen, dass Schlafen eine olympische Disziplin ist, die nur auf den härtesten Matratzen der Welt ausgeübt werden sollte.

Ich drehe mich auf den Bauch, um eine halbwegs akzeptable Schlafposition zu finden, aber es fühlt sich an, als hätte ich mich auf eine überdimensionale Trommel gelegt. Die Herzschläge dröhnen lauter als ein Trommelwirbel bei einer Rockkonzert-Eröffnung. Die Nacht zieht sich endlos dahin, während ich versuche, mich auf diesem menschenfeindlichen Trampolin in den Schlaf zu kämpfen. Ich träume von riesigen Marshmallows und Wolken aus Watte, während mein Körper in einem verzweifelten Versuch, sich an die unerbittliche Härte der Matratze anzupassen, Saltos schlägt. Es ist, als würde ich an einem Marathon teilnehmen, den ich nie angemeldet habe.

Irgendwann muss ich eingeschlafen sein, oder vielleicht habe ich vor Erschöpfung das Bewusstsein verloren, denn als ich auf die Uhr schaue, ist es plötzlich halb acht. Ich fühle mich, als hätte ich eine Nacht auf einem Schlachtross verbracht, aber hey, ich habe die Herausforderung gemeistert. Ich habe auf der französischen Version eines Trampolins geschlafen und überlebt. Jetzt kann ich alles bewältigen, was dieser Urlaub noch für mich bereithält.

Beynac-et-Cazenac

Es ist wirklich erstaunlich, wie leer die Autobahn heute ist. Ein echter Roadtrip steht an, und ich habe vor, über 600 Kilometer zu bewältigen. Dankbar bin ich dafür, dass die Mautautobahnen frei von Verkehr sind. Vielleicht bin ich naiv, aber ich vermute, dass die Raubritter auf Geschwindigkeitsblitzer verzichten, wenn man brav Maut bezahlt. Das gefällt mir natürlich.
Während meiner Fahrt heute ist Selbstversorgung angesagt. Nach dem Tanken auf der Autobahn bleibt nur noch Platz für ein Croissant und selbstgemachten Kaffee auf dem Parkplatz. Aber wisst ihr was? Das schmeckt trotzdem oder vielleicht gerade deswegen besonders gut.

Nach mehr als sechs Stunden Fahrt taucht plötzlich eine Burg in der Ferne auf. Das Castell de Beynac.

Zwischendurch habe ich noch schnell eine Unterkunft gebucht, aber als ich dort ankomme, kann ich sie einfach nicht finden. Ich fahre zweimal daran vorbei. Das kann doch nicht sein, denke ich mir. Aber doch, es ist so. Eine freundliche Frau in einer Kittelschürze steht am Straßenrand, hält mich an und fragt, ob ich der Deutsche für die Nacht in ihrem Haus sei? Eifrig lasse ich den Kopf von oben nach unten fliegen. Das freut sie sehr und resolut führt sie mich in ihr Gästehaus. Ein Haus mit einer Küche, einem Grillplatz, einem Kaminzimmer, einem Aufenthaltsraum, einer Sonnenterrasse und einer Liegewiese neben dem Kastanienwald. Ganz für mich allein. Es ist kaum zu glauben.

Und dann sehe ich durch eine Waldlichtung auch die Burg. Sie liegt in greifbarer Nähe. Ich halte den Atem an. Lange. Es ist kaum zu glauben, was ich hier sehe. Die Aussicht auf die Dordogne und diese alte Burganlage sind atemberaubend.

Es ist schon eine Weile her, seit ich die französische Küche so intensiv erkundet habe, und ich kann mit Bestimmtheit sagen, dass dieser Abend eine kulinarisches Besonderheit ist.

Zur Vorspeise wurde mir ein Teller mit Entenmägen an Salat serviert. Entenmägen! Ich hatte schon von der französischen Vorliebe für Entengerichte gehört, aber das war etwas Neues für mich. Nun, ich betrachte mich als Abenteurer, und so stürze ich mich mutig auf die zarten, saftigen Mägen. Das Ganze selbstverständlich begleitet von einem Glas hervorragenden französischen Rotweins, der die Mägen ganz hervorragend zähmte.

Als der Hauptgang kommt, ist meine Neugier auf die französische Küche noch immer nicht gestillt. Entenschenkel mit frischem Gemüse stehen vor mir auf dem Tisch. Ich liebe Hühnerschenkelchen, aber das hier ist doch eine ganz andere Hausnummer. Die Beinchen sind so zart und lecker, dass ich fast das Gefühl habe, die Ente hätte vorher einen Termin beim Masseur gehabt, um so zart zu sein. Das kackige Gemüse dazu ist ein wunderbarer Kontrast.

Doch das Highlight des Abends aber war zweifelsohne der Nachtisch. Die Spezialität der Region ist warmer Walnusskuchen mit Sahne. Ein süßer Abschluss für diesen kulinarischen Ausflug. Der Kuchen ist so warm und nussig, dass ich das Gefühl habe, er ist direkt aus Omas Ofen gekommen. Die Sahne und die Karamell-Soße dazu sind wie der Himmel einer perfekten Sommernacht.

Während ich meinen Kaffee schlürfe und den letzten Bissen des himmlischen Nachtischs nachklingen lasse, kann ich nicht anders, als zu schmunzeln. Die Franzosen mögen vielleicht exzentrisch sein, aber wenn es ums Essen geht, sind sie wahre Meister. Mein Abendessen ist ein echter Gaumenschmaus und bereits der zweite Abend meiner Reise ist eine Reise in die französische Kulinarik, die ich so schnell nicht vergessen werde.

In diesem kleinen Restaurant an einem gemütlichen Abend in Frankreich wird mir bewusst, dass die Abenteuer des Lebens oft auf unscheinbaren Tellern auf irgendwelchen Tischen beginnen.

Aber jetzt ab ins Bett. Die Matratze? Wieder hart. Gott, ich werde noch zum Asketen.

Kleiner Nachsatz: Hier in diesem wunderbaren Haus in der Natur wimmelt es von Tieren. Wildschweine in den Walnusswäldern direkt am Haus. Eidechsen wärmen sich am Ende des Tages an den Mauern und Vögel piepen eine Abendarie. Ansonsten zeigen sich hauptsächlich Insekten, die das Licht lieben. Zwei von ihnen haben sich auf meine rechte Hand gesetzt, und nun juckt es wie verrückt. Eine dicke Wanze kriecht auf dem Tisch geradewegs auf mich zu. Es fehlt nur noch, dass jetzt ein Wildschwein durch das Fenster hereinspaziert oder eine Hexe auftaucht, die mich zum Abendessen verspeisen möchte. Aber hey, das ist doch Teil des Abenteuers, oder?

Auf dem Weg zur heiligen Grotte von Lourdes

Als ich früh am Morgen aufstehe und aus dem Fenster meiner kleinen Urlaubs-Villa blicke, werde ich gewahr, dass die Welt draußen von einem dichten, weißen Nebelschleier umhüllt ist. Es scheint mir so, als ob die Natur ein Geheimnis hüten will, oder vielleicht hat sie einfach keine Lust auf ein schnelles Enthüllen ihrer Schönheit.
Mein erster Gedanke, als ich diesen dichten Morgennebel sehe, ist: „Habe ich wirklich vor, heute aus dem Haus zu gehen?
Der Nebel draußen spiegelt meine Gedanken wider, oder vielleicht sind es meine Gedanken, die den Nebel hervorgerufen haben. Es ist schwer zu sagen. Aber eines ist sicher: Beides führt zu einer gewissen Verwirrung. Mein Kopf fühlt sich an, als ob er von einer dicken, wabernden Wolke umgeben ist, die klare Gedanken unmöglich macht. Ich gieße mir eine Tasse Kaffee ein und versuche, meine Gedanken zu klären. Es ist, als ob ich durch den Nebel in meinem Kopf wandere, auf der Suche nach den verlorenen Ideen und Inspirationen. Manchmal finde ich klare Momente, in denen die Gedanken wie Sonnenstrahlen durch den Nebel brechen, und dann wieder verliere ich mich in der Undurchsichtigkeit.

Aber schließlich, wie der Morgennebel draußen, der sich langsam auflöst und die Welt wieder in all ihrer Pracht zeigt, beginnt auch der Nebel in meinem Kopf zu weichen. Die Gedanken werden klarer, die Ideen finden ihren Weg zu mir, und ich fühle mich bereit, den Tag anzugehen.

Die Reise nach Lourdes beginnt – wie immer – mit einer Autofahrt, die sich gehörig in die Länge zieht. Ich sitze im Auto, mitten in Frankreich, auf dem Weg zu einer Stadt, die für ihre heilige Grotte bekannt ist. Schon hundert Kilometer vor der Stadt erheben sich die Pyrenäen mit ihren majestätische Bergen am Horizont. Die Landschaft verspricht mir etwas ganz besonderes. Plötzlich zieht sie mich in ihren Bann.

Eine Autofahrt ist für viele ein notwendiges Übel, aber für mich ist sie Bestandteil einer Reise. Und wie könnte eine Reise ohne das obligatorische Croissant und den selbstgemachten Kaffee beginnen? Unterwegs musste ich natürlich auch noch ein paar Einkäufe erledigen. Ein riesiges Einkaufszentrum liegt auf dem Weg und – man glaubt es kaum – für mich ist der Einkauf ein echtes Highlight.

Heute Abend steht ein Festmahl auf dem Programm: Omelette mit Pied de Monton (auf die schwarzen Todestrompeten – Trompette de la Mort – habe ich aus Angst verzichtet), ein echtes französisches Baguette und hoffentlich köstliches Rillettes pur Canard als Vorspeise. Ich schwöre, ich werde nach dieser Reise ein noch echterer Gourmet sein, als vorher!

Von Hoffnungssuchern

Die heilige Grotte von Lourdes ist eine bunte Kulisse eingebettet. Überall herrscht ein Gewimmel wie in Disneyland, aber um mich herum sehe ich die vielen Kranken, Verzückten, Entrückten, Bedrückten und frommen Menschen, die nur aus einem Grund hierher kommen. Gesundheit. Fast bekomme ich ein schlechtes Gewissen, weil ich kein konkretes Anliegen habe. Aber zum Glück haben meine Freunde welche, also bete ich für sie. Und warum nicht gleich für meine Familie und den Rest der Welt? Sicher ist sicher, deshalb fülle ich auch noch zwei Liter von dem heiligen Wasser ab. Wer auch immer es haben möchte, kann es später bei mir zuhause abholen.

Mein Zimmer für die Nacht befindet sich mitten im Zentrum von Lourdes. Es ist ein einfaches Zimmer, ich meine ich, es ist wirklich sehr einfach. Auf der zweiten Etage, erreichbar über alte Treppen, befindet sich ein Raum, der gerade einmal 10 Quadratmeter groß ist. Aber was klage ich, es ist genug Platz für ein Bett!
Das Bett, das kaum in diesem bescheidenen Raum passt, ist wirklich eine Sehenswürdigkeit für sich.
Es erinnert eher an eine Hängematte als an eine Schlafgelegenheit – weich, das muss ich zugeben, aber nicht auf die angenehme Art und Weise. Nein, es ist weich, weil es von tausenden frommen Pilgern durchgelegen ist, als hätte es schon mehrere Jahrhunderte auf dem Buckel. Versucht mal, euch darauf in Bauchlage zu legen! Ein schmerzhaftes Unterfangen. Ich frage mich, ob die Leute hier in Lourdes das als Teil ihres spirituellen Erlebnisses betrachten. Vielleicht denken sie, dass es gut für die Seele ist, auf einem Bett zu schlafen, das so weich ist, dass es den Körper in alle möglichen Formen zwingt. Aber ich schweife ab. Ich habe ja einen Fluchtplan! Spanien ruft. Vielleicht erwarten mich dort Matratzen, die so weich sind wie Wolken, oder vielleicht haben sie eine ganz eigene Schlafkultur, die ich noch entdecken darf. Wie dem auch sei, ich bin bereit, mich auf das Abenteuer einzulassen und herauszufinden, wie die Spanier ihre Nächte verbringen.

Eine Urlauberin aus Neuseeland, die ich spätabends in der Küche treffe, scheint nicht ganz so begeistert von ihrer Reise zu sein. Ihr wurde der Rucksack gestohlen, und die Unterkunft entspricht wohl nicht ihren Vorstellungen. Als ich sie frage, was sie für 49 Euro erwartet hätte, verlässt sie wortlos den Raum. Man kann eben nicht alle Erwartungen erfüllen, aber hier in Lourdes, wo Wunder passieren, gibt es immer noch Platz für ein kleines bisschen Magie.

Das Leben und das Licht

Ich sitze auf meinem Bett und befinde mich inmitten der Wunder und Hoffnungen von Lourdes. Ein Ort, den so viele aufsuchen, in der stillen Erwartung, dass hier, unter dem Himmel der Hoffnung, ihre Leiden geheilt werden. Trotz des offensichtlichen Schmerzes, der in den Gesichtern vieler zu sehen ist, hört man überall fröhliches Lachen. Es begleitet die fast schon monotonen christlichen Gesänge in allen Sprachen dieser Welt. Die Jungfrau Maria wird inständig und doch eher beiläufig angerufen, in ihrer hundertfachen Wiederholung.

Das Glück und die entrückte Liebe, die sich in den Gesichtern der Pilger zeigen, sind für mich ein Rätsel. Einige scheinen offen und empfänglich für die Wunder, die sie erhoffen. Andere, gut erkennbar, sind nur als Begleitung für einen gläubigen Herzenssucher. Sie wirken wie Wächter, bereit, das Wunder, das ganz kurz bevorzustehen scheint, nicht zu verpassen. Ich glaube, allein die Tatsache, dass sich die Kranken nicht alleine wissen – schließlich teilen sie ihr Schicksal so offensichtlich mit hunderten Anderen – wirft ein völlig neues Licht auf ihr Leiden und… macht es auch ohne Wunder erträglicher.

Hoffnungsvoll füllt fast jeder Pilger eine Flasche mit Wasser aus der heiligen Quelle. Vorher haben sie kleine Glasfläschchen oder sogar große Plastikbehälter in den Souvenirläden gekauft. Die Bewohner von Lourdes haben im Laufe der Jahre ein Gespür für die Bedürfnisse der Pilger entwickelt, und ich habe das Gefühl, dass die Händler die eigentlichen Wunscherfüller an diesem heiligen Ort sind.

„Das Leben und das Licht“ steht über den Eingängen der Kathedrale geschrieben. Ich habe mich entschieden, beides zu suchen. In der Grotte selbst ist der Fels von den tastenden Händen unzähliger Pilger glattgeschliffen wie polierter Marmor. Es ist ein eigenartiges Gefühl, ihn zu berühren. Im Hintergrund hört man den Gesang eines Priesters und das Gemurmel der Gläubigen. Eine leichte Angst überkommt mich. Was, wenn ich keine Energie durch das Berühren der Steine aufnehme? Oder schlimmer noch, was, wenn mir Energie entzogen wird? Doch ich verwerfe diese Gedanken als Unsinn und drücke meine Finger auf die spiegelglatten Flächen.

Meine Begegnung mit der heiligen Grotte habe ich ohne hinzuschauen gefilmt. Wenn jemand möchte, kann er gerne für nicht einmal zwei Minuten über meine Schulter schauen.

Und jetzt, meine lieben Leser, führt mich meine Reise weiter nach Spanien, hinauf in die majestätischen Berge. Immer auf der Suche nach dem Leben und dem Licht. Dort, zwischen den Gipfeln und den Wolken, werde ich weiter nachdenken über die Geheimnisse von Lourdes und darüber, was es bedeutet, an Wunder zu glauben.

Hohe Berge und dicke Zwiebeln

Der Abschied von Lourdes? Nun ja, sagen wir, er war nicht gerade so dramatisch. Ich habe alles erledigt, was erledigt werden musste. Souvenirs gekauft, Kerzen angezündet, und ich habe sogar ein paar Tropfen aus dem heiligen Brunnen geschlürft. Jetzt kann ich leichten Herzens nach Spanien fahren, dem Land der Sonne, der Tapas und der ausgiebigen Siestas. Die Fahrt sollte mit knappen 400 Kilometern einigermaßen gut vonstatten gehen. Mit den Kühen habe ich allerdings nicht gerechnet. Ja, ihr habt richtig gehört, Kühe. In den Bergregionen genießen sie fast den Status heiliger Kühe. Scheinbar wissen sie, dass sie unantastbar sind und haben daher beschlossen, sich heute – teilweise selbstständig – auf die Reise von den Almen in die Täler zu machen. Gemächlich schreiten sie mitten auf der Straße und wackeln mit ihren Hinterteilen, als ob sie die Straße für eine improvisierte Tanzfläche halten. Ich muss mich anstrengen, geduldig zu bleiben. Allein der Gedanke, wie lecker ein saftiges Steak sein könnte, erhält mich aufrecht.

Die Pyrenäen sind erstaunlich hoch. Auf einigen Bergspitzen blitzt sogar noch das Eis, als wollte es sagen: „Hier oben ist es verdammt kalt, also besser nicht ohne Jacke!“ Überall kann man die Spuren vom Wintersport sehen. Lifte und riesige Parkplätze. Doch dafür habe ich keinen Blick. Kurve für Kurve muss ich mein Auto in die Höhe treiben. Die Öltemperatur steigt und steigt, und ich beginne, mir ernsthaft Sorgen um den Motor zu machen. Zeit für eine Pause denke ich und halte mitten auf dem Berg an. Immer in der Hoffnung, dass sich der Motor wieder abkühlt. Diese Wartezeit gibt mir die Gelegenheit zu einem kleinen Spaziergang und schnell entdecke ich eine alte Nothütte. Leider hat sich seit vielen Jahren niemand mehr um sie gekümmert, und das Innenleben ist so morbid, dass selbst eine Halloween-Party hier unpassend gewesen wäre. Trotzdem hätte ich gern – mitten im tiefsten Winter, gerettet aus Eis und Schnee – am Kamin ein Stück vom Huhn gegrillt, während draußen vergebens ein Schneesturm an den Mauern frisst.

Aber die Zeit drängt, und ich muss weiter. Die Berge werden nun endlich zu Bergen, die es allerdings wieder hinunterzufahren gilt. Jetzt sind die Bremsen mein Sorgenkind, und ich bin mir sicher, dass sie bereits heißer als heiß sind. Noch bevor die Sorgen überhand nehmen, tauchen plötzlich uniformierte Menschen mit Maschinenpistolen auf und versperren den Weg. Mein erster Gedanke ist: „Bin ich versehentlich in einen Actionfilm geraten?“ Aber dann winken sie mich nach einem kurzen Blick in den Wagen einfach durch.
Spanien!
Ich habe gerade die Grenze nach Spanien überquert, und das ohne irgendwelche Schießereien. Ein echtes Abenteuer! Nach einigen Metern locken Geschäftemacher mit ihren Waren. Die angereisten Franzosen scheinen wie verrückt Alkohol und frisches Gemüse zu kaufen. Und dann sehe ich sie, die dicksten und schönsten Zwiebeln. Es ist, als hätte die Natur beschlossen, alle Energie in die Zwiebelproduktion zu stecken. Krass, wirklich!

Für die nächsten Kilometer passiere ich die spanische Tiefebene, nur um dann wieder in die Höhe zu fahren. Mein Hotel für den Tag oder besser gesagt, die Nacht, soll angeblich in einem Tal liegen, aber bisher habe ich noch nicht einmal Berge gesehen. Geschweige denn Täler. Noch 30 Kilometer bis zum Hotel und immer noch keine Berge in Sicht. Oh weia…

Aber plötzlich wird alles anders. Die Erde verwandelt sich von grün zu ocker, fast rot. Ein Tal öffnet sich vor mir, und ich folge der Straße zum Hotel. Nur noch 2 Kilometer. Ich kann es kaum glauben. Hier soll ich also hin? Es ist wirklich kaum zu fassen.

Das Hotel hat ein Thermalbecken, natürlich mit Thermalwasser, wie der Name schon sagt. Hier werde ich gleich baden gehen und hoffentlich meine vom Kühen-Tango strapazierten Nerven beruhigen. Nebenan füllen sie Mineralwasser in Flaschen ab. Ich fragte mich, ob sie das vor oder nach dem Badebecken machten, und beschließe, diese Frage später zu klären.

In Ruhe mache ich noch einen ausgiebigen Spaziergang. In der Nähe hängt ein altes Kloster an den Felsen, und Bachläufe rieseln entlang der Berge. Ich laufe mit dem Kopf nach oben, unten, links, rechts – einfach überall. Vor Freude rufe ich laut in die Schlucht, und das Echo antwortet mir fröhlich. Einige Spaziergänger schütteln den Kopf, aber das ist mir egal. Ich habe heute die Pyrenäen erklommen und habe zwei Länder passiert. Das Eine habe ich verlassen, das Andere betreten.

Das Abendessen gibt es erst nach acht Uhr, drei Gänge für gerade mal 20 Euro – eine Flasche Thermalwasser (Oh Gott, vielleicht trinke ich das Wasser, indem ich gerade noch gebadet habe!) und eine Flasche Rotwein eingeschlossen. Was für ein Tag, was für ein Tag!

Bettgeschichten

Mein heutiger Tag beginnt mit einem fulminanten Frühstück. Es ist im Hotelpreis inbegriffen. Die Gänge sind erfüllt vom betörenden Duft frischen Brotes und dampfendem Kaffee. Ich bete still, dass sie auch frisches Obst haben. Die Wassermelone zum Nachtisch gestern Abend war so süß, dass sie in einer Zuckerfabrik als Lehrerin arbeiten könnte!

Apropos gestern. Apropos Betten in Spanien. Das Bett, Freunde, das war nicht irgendein Bett – das war ein Boxspringbett! Die Matratze war so hoch, ich dachte schon, ich wäre im Wolkenkuckucksheim gelandet. Es war fest und doch weich wie ein Katzenbauch, und für meine gebeutelten Knochen war es eine wahre Offenbarung. Die Spanier mögen es offenbar groß und komfortabel, selbst wenn das Bett aus Deutschland stammt. Das nenne ich mal kulturellen Austausch!
Doch im Laufe der Nacht verwandelte sich die Bettdecke in ein wahres Ungeheuer. Es waren zwei dünne Decken übereinandergelegt, im Prinzip also recht simpel, aber was in der Theorie gut klingt, das ist in der Praxis oftmals anders. Diese Decken hatten offensichtlich ihren eigenen Willen. Sie wollten sich partout nicht sanft über mich legen, nein, sie fühlte sich dazu berufen, sich in alle möglichen Richtungen zu winden und sich zu einem eigenständigen Kunstwerk zu formen. Sie wollte Streit, und verdammt, den hat sie auch bekommen – von mir. Und aus Trotz reise ich heute ab!

Das Hotel Balneario de la Virgin in Jaraba ist ein echter Geheimtipp. Es ist erstaunlich günstig und bietet Essen, das so gut ist, dass man fast denkt, man habe einen Deal mit dem Teufel gemacht. Und das zu Preisen, die selbst einen Geizkragen vor Freude tanzen lassen würden! Die Umgebung ist atemberaubend und perfekt für ausgedehnte Wanderungen. Aber seid gewarnt, um das Hotel herum gibt es so gut wie nichts, null, nada, nichts an sonstiger Unterhaltung, wie man es aus Städten gewohnt ist. Dieses Hotel ist ein Paradies für Wanderfreunde und Menschen, die ihre innere Zen-Meisterin entdecken wollen, vorzugsweise in einem der himmlischen Thermalbecken. Wer also auf der Suche nach Action und Party ist, der sollte lieber einen Abstecher in die nächste Großstadt machen. Aber für alle anderen, die Ruhe und Erholung suchen, ist dieses Hotel ein wahrer Schatz!

Der fünfte Tag.

Nach dem Frühstück mache ich mich auf zu einem Morgenspaziergang. Obwohl, eigentlich handelt es sich eher um eine morgendliche Wanderung. Warum? Weil heute fabelhafte Höhlen aus grauer Vorzeit auf mich warten. Steinzeitmenschen sollen ihre kreativen Ideen an den Wänden hinterlassen haben – in Form von prähistorischem Graffiti.
Eine holprige Fahrt durch die Schluchten erwartet mein Auto – es darf mit. Schließlich soll diese Reise nicht nur mir zugutekommen, sondern auch meinem fahrbaren Untersatz. Ein Beweisfoto mit dem Auto und den majestätischen Bergen im Hintergrund ist ein Muss, schließlich müssen auch Autos mal angeben. Nach einer Weile jedoch verhindern dicke Steine die Weiterfahrt, schnell ein Foto und ich setze meine Reise zu Fuß fort. Kurve für Kurve nähere ich mich der angekündigten Höhle. Und weiter geht’s, immer weiter… hinter jeder Biegung glaube ich, endlich die Graffitis zu finden. Aber nein, es ist immer nur die nächste Biegung, die mich hoffen lässt. Nach der nächsten… immer noch nichts. Ich bin schon seit einer gefühlten Ewigkeit unterwegs. Und denke daran, dass ich dieselbe Strecke auch wieder zurück muss. Rückweg. Dann plötzlich eine Höhle, ich muss sie auf dem Hinweg übersehen haben. Kurz entschlossen krieche ich hinein. Sehe nichts. Eine Taschenlampe habe ich natürlich nicht dabei. Ich bin schließlich kein Höhlenforscher. Mein Handy hat ein Lampenfunktion. Und im Schein dieser Funzel sehe ich.. nichts. Kein Graffiti. Enttäuscht laufe ich weiter.

Die Sonne zeigt sich von ihrer besten Seite. Ich knipse ein Foto nach dem anderen und grinse wie ein Honigkuchenpferd, nur weil ich diese atemberaubende Landschaft erleben darf.

Memo an mich: Nächstes Mal unbedingt alte Farb-Pigmente mitnehmen. (…)

Falls ich eine Steinzeithöhle finde, kann ich dann meine eigenen Graffiti hinterlassen. Was für ein genialer Gedanke! Und die Vorstellung, dass jemand meine Kunstwerke eines Tages entdeckt und diesen Ort zu einer uralten Attraktion macht, bringt mich dazu, mitten beim Laufen laut loszulachen.

Dann geht es auch schon auf die Autobahn Richtung Toledo. Die ersten 200 Kilometer verlaufen reibungslos – freie Fahrt! Aber dann taucht Madrid in der Ferne auf, und die Fahrer werden hektisch. Schnell wird mir klar: Spanische Autofahrer im Allgemeinen fahren dicht auf. Sie bewegen sich durch den Verkehr wie Michael Schumacher im Formel-1-Zirkus. Jede Gelegenheit zum Überholen wird genutzt. Dafür haben sie definitiv Talent.
In der Altstadt von Toledo merke ich leicht panisch, dass die Straßen hier so eng sind, dass ich mich frage ob sie überhaupt für Autos gemacht wurden. Aber egal, sie sind alt, also muss ich ihnen das verzeihen. Jemand hat mir erzählt, dass in der Straße, in der mein Hotel steht, schon viele Ausländer stecken geblieben sind. Das scheint die Einheimischen zu amüsieren und bringt Abwechslung in ihren Alltag. Mir treibt es den Schweiß auf die Stirn. Das Hotel, in dem ich heute Nacht schlafen werde, ist von außen eher unscheinbar. Innen begrüßt mich ein charmanter Innenhof mit spanischem Flair. Es wurde kürzlich renoviert, und obwohl mein Zimmer klein ist, ist es wirklich gemütlich.


Das Bett! Das Bett ist einfach herrlich. Es ist weich, aber nicht zu weich. Fast perfekt, würde ich sagen – wäre da nicht diese doppelte Decke, die sich in der Nacht in ein gefräßiges Monster verwandeln wird und scheinbar nur auf mich gewartet hat.

Vom Tourismus in Toledo. (…)

Toledo, oh Toledo, eine Stadt, die sich gänzlich dem Tourismus verschrieben hat. Hier findet man Marzipan und Stahlwaren im Überfluss, vor allem Messer und Dolche, als ob sie glauben, wir Touristen müssten uns gegen wildgewordene Don-Quijotes verteidigen! Und natürlich gibt es die üblichen Souvenirs, die man überall in Spanien ergattern kann. Und was ist mit den Spaniern? Nun ja, die sind hier eher eine seltene Spezies. Man sieht sie in den Geschäften, wo sie Touristen bedienen, oder als Stadtführer, wenn sie versuchen, die orientierungslosen Massen zu bändigen.
In der Altstadt von Toledo reihen sich Monumente an Monumente, als hätten sie eine Konferenz der imposanten Gebäude einberufen. Diese gewaltigen Steinquaderbauten mit ihren hohen Räumen und riesigen Fenstern sind beeindruckend, aber sie machen mir auch Angst. An einigen Häuserecken haben sie sogar Jesus aufgehängt. Er schaut leidend auf die vorbeieilenden Fußgänger. Doch die Fußgänger selbst? Die haben nicht die geringste Ahnung, von wem sie da beobachtet werden.

In den engen Gassen der Altstadt ist ein wahres Sprachengewirr zu hören. Amerikaner sind die Könige des Lärms. Die Koreaner schleichen dagegen in ihren riesigen Hüten herum, als würde die Sonne sie sonst in Staub verwandeln. Japaner hetzen von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten, während die Chinesen mit Kameras rumlaufen, die wahrscheinlich mehr wert sind als mein gesamtes Hab und Gut.

Ich will so schnell wie möglich wieder verschwinden. Kein Messer, kein Marzipan, nicht einmal ein Schinkenbrot will ich kaufen. Toledo, das ist gewiss ein Ort voller Kontraste und Überraschungen, aber nichts für mich. Ein Abenteuer fürwahr, aber nicht unbedingt mein persönlicher Favorit auf dieser Reise durch das wunderbare Spanien!


Im Land der kleinen Leute mit den großen Herzen

Es ist, als ob die Zeit in Portugal langsamer vergeht als anderswo. Die Uhren ticken gemächlich, und die Welt dreht sich im Rhythmus der portugiesischen Gelassenheit. Eine erste Pause ist fällig, und ich beschließe, irgendwo in Portugal, eine örtliche Bar zu erkunden. Das Haus mit dem auffälligen Reklameschild sieht aus, als hätte es die besten Tage hinter sich. Aber hier sehe ich viele Menschen sitzen. Ich habe einen Platz im Schatten und bestelle einen Portwein, der nur 60 Cent kostet. Was für ein Schnäppchen! Der Kaffee schlägt dann schon mit einem satten Euro zu Buche. Wie geht das, frage ich mich?

Der Inhaber, ein Mann von Charakter, Charme und großen Gesten, betrachtet mich mit einem breiten Lächeln. Ich wage die Frage nach dem Essen des Tages. Er zeigt auf den Raum zwischen seinen Beinen. Ich starre ungläubig. Doch bevor ich in Panik geraten kann, bricht er in herzhaftes Gelächter aus. „Kuh und Milch“, nuschelt er und rät, das „typisch galizische Essen“ lieber auszulassen. Ich folge seinem Rat und blicke stattdessen auf die Tische der Einheimischen, wo ich etwas entdecke, das wie Bohnen mit Kutteln in einem tiefen Teller aussieht. Es wäre einen Versuch wert, denke ich, doch am Ende siegt die Feigheit, und ich wage mich nicht daran.

Die Portugiesen. (…)

Die Menschen hier sind so lebendig, warmherzig und freundlich wie in kaum einem anderen Land. Im Gegensatz zu den Franzosen und Spaniern gehen die Portugiesen nicht automatisch davon aus, dass ich ihre Sprache mit all den Zischlauten sprechen könnte. Aus diesem Grund beherrschen fast alle Englisch oder sogar Deutsch. Was mir auch noch auffällt: Die Bevölkerung auf dem Land scheint im Allgemeinen etwas kleiner zu sein, als bei uns in Deutschland. Auf einmal bin ich mit meinen 1.75 m fast schon ein Gigant.

Heute ist Pause in Coimbra angesagt. Ein Bad im Pool und später am Abend steht Fado auf dem Programm. Die Dame an der Rezeption war so freundlich und hat mir einen Platz im „Fado ao Centro“ reserviert. Es ist ein kulturelles Musikzentrum in der Altstadt von Coimbra. Fast täglich finden hier sehens- und vor allem hörenswerte Veranstaltungen statt. Im Fado ao Centro sollen nur die besten Fado-Sänger Portugals auftreten, eine Einladung hierher ist eine große Ehre für einen Künstler. Ich bin mal gespannt, was mich erwartet.

Und dann ist da dieses Hotel, meine Freunde, vier Sterne und so viel Luxus, dass es mich beinahe umhaut. Ein Pool, eine Sauna, ein Fitnessstudio, Parken in der Tiefgarage und Frühstück am nächsten Morgen. Das wird mir guttun. Ich klopfe mir auf die Schulter und denke, dass es eine kluge Entscheidung war, nicht nach Sevilla zu fahren.
Ich lasse mich nun von der portugiesischen Gelassenheit einlullen und halte die Augen offen für weitere Abenteuer im Land der kleinen Leute mit den großen Herzen!


Es ist einer dieser Tage, die man wohl nie vergessen wird. Der Fado-Abend, der um 19 Uhr beginnen sollte, lag vor mir wie ein verheißungsvoller Schatz. Ich fand mich in einem Zustand der Gelassenheit wieder, der fast schon träge war. „Mehr Zeit als genug“, dachte ich mir, und vertrödelte den restlichen Tag.

Zu früh gekommen. (…)

Doch dann, just in dem Moment, als ich mich entscheide, aufzubrechen, trifft mich der Feierabendverkehr wie eine Keule. Stau, soweit das Auge reicht, und die falsche Abfahrt erwische ich natürlich auch. Die Kontrolle über die Navigation entgleitet mir, als das Handy dazwischenklingelt. Die Zeit rennt gegen mich an, als ob sie mit gestreckten Beinen auf einem Sprintwettbewerb um die Ecke biegen würde. In aller Not suche ich einen Ausweichparkplatz – verdammt, jetzt muss ich fast zwei Kilometer zu Fuß zurücklegen.

Um 19:01 Uhr stehe ich endlich atemlos vor dem Gebäude, in dem der Fado-Abend stattfindet. Die Dame am Eingang schaut mich prüfend an und fragt, ob ich eine Reservierung hätte. „Hab ich“, rufe ich keuchend, „vom Hotel.“ Ihre Augen weiteten sich vor Überraschung. „Ach“, sagt sie, „dann sind Sie wohl zu früh. Die Vorstellung beginnt erst um 19 Uhr.“ Ich starre sie mit fragendem Blick an, und sie erklärt mit einem Lächeln: „In Portugal ist es eine Stunde später als in Spanien. Sie müssen noch warten.“

Und so sitze ich da, wie ein verirrter Reisender in einer Zeitzone, die ich nicht bedacht hatte. Doch es hat sich gelohnt, das Warten. Der Fado-Abend entpuppt sich Lied für Lied als eine Reise in die Seele der portugiesischen Musik, die mich tief berührt.


Aber nicht nur der Fado ist ein Höhepunkt meiner Reise. Auch Coimbra hat so einiges zu bieten. Diese alte Stadt, erfüllt von lebensfrohen Studenten, fühlt sich an wie ein lebendiges Weltkulturerbe. Die friedliche Stimmung, gepaart mit dem fröhlichen Lärm der jungen Menschen, macht den Aufenthalt hier zu einem unvergesslichen Erlebnis. Coimbra hat sich gelohnt, und ich kann nur lächeln, während ich durch die kopfsteingepflasterten Gassen schlendere und mich von der Lebendigkeit dieser Stadt verzaubern lasse.

38 °

Sines! Hier stehe ich, am Anfang des sagenumwobenen Fischerweges, in einer dieser kleinen Küstenstädte, die einerseits verschlafen und andererseits ein bisschen hip sind. Hier findet man keine Horden von Neckermann-Touristen, nein, hier sind es eher die Abenteurer, die sich normalerweise in den Tiefen Goas in Indien verstecken. Und mitten drin stehe ich, in meiner vollen Reiseglory. Die Temperatur? Achtunddreißig Grad Celsius. Im Schatten. Die Menschen, die hier wohnen, können es kaum fassen, dass der Oktober soviel Temperatur hergibt. Sie schütteln den Kopf und sind gleichzeitig in Sorge. Sie freuen sich zwar für mich, sehnen sich aber nach erträglichen Temperaturen, so um die 19 Grad.

Für die nächsten vier Tage habe ich mir ein echtes Stück Portugal gegönnt – eine Wohnung in einem Wohnblock, nur etwa 200 Meter vom Meer entfernt. Um mich herum pulsiert das „normale“ Leben: Kinderlachen, Hundegebell, Besucherströme, der Aufzug, der so seltsam ruckelt, und Parkplätze, die scheinbar in einer anderen Dimension existieren. In der Wohnung gibt’s alles, was das Herz begehrt: Waschmaschine, Kühlschrank, kalte Getränke und eine Wäscheleine, die stolz an der Außenmauer des Hauses prangt. Es ist ein kleines Stück vom Alltag, und ich liebe es.

Mann, oh Mann, ich habe den ganzen Tag auf der Straße verbracht, und jetzt dreht sich alles um eins: Essen. Aber nicht irgendein Essen – ich will Fisch! Und zwar so authentisch wie es nur geht, in bester portugiesischer Manier. Der Abend bricht herein, und ich mache mich auf den Weg in die Stadt. Die Restaurants rufen, und ich habe einen heißen Tipp vom Vermieter meiner portugiesischen Homebase bekommen. Dort will ich hin. Und was soll ich sagen?

Es ist authentisch. Es ist verdammt gut. Ich bin glücklich. Ja, Leute, ich bin mitten in Portugal.

Nach dem Essen, das mir die Geschmacksknospen vor Freude tanzen lässt, schnappe ich mir meine Kamera und mache mich auf die Jagd nach ein paar Sonnenuntergangsfotos. Manche Städte sehen am Abend einfach besser aus als tagsüber. Das ist echt der Wahnsinn.

Sines, du hast mich in deinem Bann, und ich kann es kaum erwarten, was die nächsten Tage hier für mich bereithalten. Aber eins ist sicher: Es wird verdammt lecker!