Malerei & Consorten

Torsten Gripp | rotes Gesicht | Tagebuchmalereien

Kunst ist wie ein Schatten – sie bewegt sich mit mir, aber sobald ich zugreifen will, ist sie woanders.

Vom Glück ein Banause zu sein. (⏎)

Im alten Griechenland gab es ein Wort für jene, die mit den Händen schufen: banauson – ein „ungebildeter Handwerker“, ein Mensch, der das Denken dem Tun überließ.
Kein Philosoph,
kein Dichter,
keiner von denen, die in Marmor reden konnten.
Ein Banause eben.

Ich kenne das Wort gut. Ich bin mit ihm aufgewachsen. Es klebte an mir wie Lehm an den Schuhen. „Du Banause“, sagten die Erwachsenen, wenn ich mal wieder anders dachte, anders sah, anders fühlte. Ich habe das nie als Beleidigung empfunden. Ich fühlte mich tatsächlich gemeint.

Auch heute stehe ich dazu. Ich bin ein erwachsener Banause.
Und auf dieser Seite sehen Sie, was dabei herauskommt, wenn einer wie ich malt, ohne zu fragen, was man darf, soll oder müsste.
Erwarten Sie bitte keine treue Wiedergabe der Wirklichkeit. Und auch nicht das, was man heute „moralisch vertretbar“ oder „ästhetisch anschlussfähig“ nennt.
Ich male nicht, um zu gefallen.
Ich male, um zu finden.

Manche würden sagen: Das ist informelle Malerei.
Andere sprechen von „autonom“.
Ich finde das alles sehr höflich. Und ziemlich nutzlos.
Denn die Begriffe sind oft nicht mehr als saubere Etiketten auf einem Glas, das längst verstaubt ist.

Worauf es mir ankommt, ist das Ungefähre, das Ungezähmte, das, was sich jeder Deutung entzieht.
Nicht die Erklärung, sondern die Erfahrung.
Nicht die Einordnung, sondern der Eindruck.

Vielleicht ist meine Malerei ein bisschen wie das Leben selbst:
nicht ganz zu fassen, nicht ganz zu benennen –
aber voller Spuren, Risse, Lichtstellen, Widerstand.

Ich brauche keine weitschweifigen Einführungen, keine kunsthistorischen Rettungsringe.
Die Bilder stehen für sich.
Und manchmal, wenn das Licht richtig fällt,
flüstern sie leise.

Prost. (⏎)


Ein Glas Wirklichkeit – halb voll, halb frei

Ich will mit meiner Kunst nicht die Welt erklären.
Nicht das große Ganze ordnen,
nicht das Chaos zähmen.
Ich bin kein Prediger.
Kein Prophet.
Auch kein Therapeut.
Nicht einmal ein Selbst-Therapeut.
Ich male nicht, um Antworten zu geben.
Ich male wie ein Kind.
Vielleicht ist das mein freundlichster Beitrag zur Wirklichkeit.

Meine Kunst ist wie ein alter Freund, der sich zu mir setzt,
ein Glas Wein einschenkt und leise sagt:
„Lass uns einfach das Leben genießen.
Ohne Plan, ohne Ziel,
ohne kluge Absicht.“
Nicht, weil er nichts zu sagen hätte, sondern weil er weiß,
dass das Wichtigste oft im Schweigen geschieht.

Ich glaube, die Realität wird überschätzt.
Wir sprechen von ihr, als sei sie ein Vertrag.
Festgeschrieben,
überprüfbar,
verbindlich.
Aber was ist mit der Realität des Traums?
Was ist mit dem, was zwischen den Dingen liegt –
den Rissen, dem Zwischenlicht, dem absurden Glanz in einem Gesicht?

Zwischen Farbe, Fuge und Fernweh wohnt das Warum.

Wer will schon eine Welt, die sich exakt abbilden lässt?
Eine Welt, die sich
vermessen,
verwalten,
versichern lässt?
Was mich interessiert, ist das Farbige,
das Schräge, das, was entgleist.
Nicht das Fotoalbum der Welt, sondern ihre Skizzen.

Vielleicht ist meine Malerei eine kleine Gegenwelt.
Nicht im Sinne des Eskapismus – eher im Sinne einer Erinnerung.
So, dass es immer auch anders sein könnte.
Bunter.
Zarter.
Wilder.

Ich biete kein Konzept.
Keine Erklärung.

Nur eine Einladung:
Zum Sehen.
Zum Staunen.
Zum Verweilen.

Denn manchmal genügt es, einen Moment lang still zu werden,
und zu erkennen:
Das Leben – in all seinem Übermaß und Unfug – ist genau richtig so.

© Torsten Gripp | 2019 | Malerei | ein Kreuz mit dem Kreuz