
Kokoro-Kurinuki erinnert sich an Wege, die niemand mehr geht, an Stimmen, die nur der Wind noch kennt.
Die Farbe der Stille: Ein neuer Kurinuki-Stil
Schlichtheit ist nicht einfach. Sie verlangt Mut, denn sie lässt keine Ablenkung zu. Alles, was bleibt, ist die Essenz – sichtbar in jedem Kratzer, in jeder Unebenheit. Der traditionelle Kurinuki-Stil verkörpert diese Essenz. Es gibt keinen Plan, nur Intuition. Der Ton spricht, und die Hände antworten. Was entsteht, ist nicht perfekt, und doch ist es vollkommen.
Doch was, wenn Schlichtheit nicht das Ende, sondern der Anfang wäre?
Hier beginnt mein Experiment. Eine Interpretation, die Kurinuki aus der Vergangenheit in die Gegenwart holt – und Farben ins Spiel bringt. Zarte Pastelltöne, die an den ersten Morgentau erinnern. Oder kräftige Farben, die wie der Flug eines roten Kranichs am Horizont aufflammen.
Ich nenne diesen neuen Stil:
Kokoro (心) – Kurinuki (くり抜き)
eine Verbindung aus dem japanischen Wort für „Herz“ und der traditionellen Kurinuki-Technik. Vielleicht ist es kein Zufall, dass das Wort „Herz“ im Japanischen auch den Geist und die Seele umfasst. Denn genau dort, im Innersten, entsteht ja die Kunst. Kokoro-Kurinuki ist für die, die Tiefe suchen, ohne die Freude zu vergessen. Für die, die still sein können, aber auch leuchten wollen.
Im Zentrum von Kokoro-Kurinuki steht die Philosophie des Wabi-Sabi, die die Schönheit des Unvollkommenen, Vergänglichen und Asymmetrischen würdigt. Doch Kokoro-Kurinuki wagt es, die Grenzen dieser Tradition zu erweitern, indem es die stille Sprache der Farben in den Fokus rückt. Farben werden hier nicht bloß als Dekor eingesetzt, sondern als kraftvolle Ausdrucksform, die die im Idealfall auch die innersten Schichten der Seele berühren.
Es stellt sich die Frage: Können Farben überhaupt Stille verkörpern? Können sie im Chaos des Lebens Momente von Zen schaffen?
Meine Antwort lautet: JA.
Dadurch, dass Farben in den traditionellen Rahmen des Kurinuki-Stils eingefügt werden, entsteht ein Dialog zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen dem Lauten und dem Stillen. Farben in Kokoro-Kurinuki sind auch nie eindimensional. Sie sind Botschaften, die den Betrachter einladen, tiefer zu blicken. Ihre Stille ist nicht die Abwesenheit von Klang, sondern entsteht in der Resonanz, die sie in uns hervorrufen. Sie wirken nach, lange nachdem der erste Eindruck vergangen ist. Die dadurch entstandene Farbästhetik schafft einen Raum für Reflexion, in dem das Laute und das Stille verschmelzen – genau wie das Leben selbst, das in jedem Moment beide Extreme umfasst.
Durch Kokoro-Kurinuki interpretiere ich den traditionellen Kurinuki-Stil auf meine Weise und denke, dass es kein Bruch mit der Tradition ist, sondern eine Erweiterung. Zen bleibt der Kern, und die Leere – das Nichts – einer Teeschale ist am Ende wichtiger, als die Form, denn Tee muss ja irgendwo hin.
Leere bedeutet Potenzial, und Potenzial bedeutet Möglichkeiten. Das ist die Essenz, die Kokoro- Kurinuki nicht nur zu einer Töpfertechnik, sondern zu einer Philosophie macht.
Licht ist Magie. Es weckt Farben aus ihrem Schlaf, lässt sie tanzen, schimmern und flüstern. Ein sanfter Strahl genügt, um den Rand eines Bechers in Gold zu tauchen oder einen Schatten in tiefes Rot zu hüllen. Wo Licht auf Schatten trifft, entsteht ein Spiel, das nie stillsteht – ein Flüstern zwischen Form und Raum.
Im Kokoro-Kurinuki werden diese Gespräche sichtbar. Die Linien, die aus dem Ton geschnitten werden, sind wie Flüsse, die das Licht leiten. Sie laden Schatten ein, sich in ihren Tiefen zu sammeln, und schaffen Orte, an denen die Farben ruhen können. Keine Fläche gleicht der anderen, keine Lichtspur bleibt gleich.