Tagebücher.
Ein Zwischenreich aus Papier,
Farbe und Erinnerung.
Wie Worte und Farben in die Tagebücher kommen. (⏎)
Zwischen Farben. Zwischen Zeiten.
Ich sitze in einem Café.
Tassen klirren. Stimmen fließen ineinander.
Stuhlbeine scharren über Fliesen.
Um mich: die flackernde Gegenwart.
Pixel, Nachrichten, Gesprächsfetzen – ein Netz aus Bewegung.
Und doch öffnet sich ein kleiner Spalt.
Ein Zwischenraum.
Papier.
Farbe.
Erinnerung.
Das Tagebuch.
Der Geruch von handgeschöpftem Papier mischt sich mit dem von Kaffee.
Der Aquarellkasten liegt still.
Farben, als hätten sie Licht gesammelt.
Und Zeit.
Ich tauche den Pinsel ein.
Ein Tropfen Ultramarin.
Er fließt, atmet, breitet sich aus.
Ein Himmel, der sich nicht beeilt.
Ein Fenster, vielleicht.
Oder nur eine Ahnung von Orange.
Bedeutungslos – und darin voller Sinn.
Die Welt um mich verliert Schärfe.
Ich bin hier – und zugleich woanders.
In einem Bild.
In einem Geräusch.
In einem Nachmittag, der inzwischen längst vergangen ist.
Da war einmal Italien.
Eine Bank im Schatten.
Fassaden, die atmen konnten.
Zwei Fremde, die lachten.
Ein Streifen Siena-Rot.
Ein Spritzer Ocker.
Ich male nicht.
Ich höre zu.
Dem Stein.
Dem Licht.
Der Linie, die mir etwas zuflüstert.
Nicht jede Seite ist schön.
Es gibt Skizzen, die stolpern.
Auf dem Papier wie im Leben.
Zerzauste Gedanken,
Kritzeleien am Rand.
Die Randnotizen eines träumenden Narren.
Nicht weniger wahr als alles andere.
Vielleicht wahrer.
Ich male nicht für die Wand.
Ich zeichne, um zu erinnern.
Nicht an Orte.
An Zustände.
An mich.
Und wenn ich am Abend das Buch schließe,
bleibt etwas zurück.
Ein feiner Staub.
Ein Hauch Ewigkeit in vergänglichen Linien.
Ein stilles Gespräch mit der Zeit.
Vielleicht ist es genau das, was Kunst sein kann:
ein Lauschen.
Ein Echo, das nicht laut sein will.
Ein Geheimnis, das nur sichtbar wird,
wenn man bereit ist, zwischen die Farben zu hören.
Und eines Tages,
wenn meine Hände zittern,
wenn mein Haar grau ist,
wird es noch da sein.
Dieses Buch.
Ein Zeugnis, dass ich war.
Nicht mehr. Nicht weniger.
Und vielleicht wird irgendwann
eine fremde Hand es öffnen.
Eine fremde Seele darin lesen.
Und mich finden
für einen einzigen, stillen Moment.