Manches bleibt.
Manches ist mehr als Papier und Tinte.
Manches ist eine Geste, die Raum und Zeit überwindet.
Vor mir liegt ein altes Bild. Unbeachtet bisher, verkannt, mit Sicherheit ungeliebt.
Das Material?
Leinwand, Blattgold, Ölfarben und Acryl.
Die Farben scheinen müde, die Linien verloren. Es ist wirklich kein Meisterwerk. Kein Blickfang. Nichts Begehrenswertes. Definitiv. Wegwerfen?
Nein. Dafür ist es dann doch zu schade. Es hält etwas in sich verborgen. Etwas, das sich nicht erschließen lässt, aber so, wie es ist, kann es nicht bleiben. Ich zögere einen Moment, dann setze ich die Schere an. Schnipsel fallen zu Boden, ein Gewirr aus Farbe, Struktur, Licht und Schatten. Und plötzlich – ein Wunder. Kleine Fragmente beginnen zu leuchten. Linien finden neue Wege, Farben gewinnen an Strahlkraft, Muster formen sich, wo vorher Zufall war. Es ist, als hätte das Bild nur darauf gewartet, in seine Einzelteile zerlegt zu werden, um endlich zu zeigen, zu was es fähig ist.
Nun werden die Schnipsel zu Postkarten. Kleinen Kunstwerken, die hinaus in die Welt dürfen. Eine Postkarte im digitalen Zeitalter – was für ein großes Wunder! Handgeschrieben, mit Worten, die Zeit brauchen, um zu entstehen. Kein flüchtiges Tippen, kein unpersönliches Senden. Sondern Bedacht. Hingabe. Eine Spur von Ewigkeit.
Später, irgendwo, sitzt jemand am Tisch, wählt Worte mit Sorgfalt, vielleicht mit einem Lächeln. Die Schrift ist uneben, vielleicht ein wenig krakelig, aber echt. Die Karte wird in einen Umschlag aus handgeschöpftem Büttenpapier gelegt, mit einer besonderen schönen Briefmarke versehen – ein winziges Kunstwerk für sich. Dann, der letzte Moment: Ein Blick auf den Umschlag, bevor er in den Schlund des Briefkastens verschwindet. Auf die Reise geht.
Tage später landet er in fremden Händen.
Wird er hastig geöffnet oder vorsichtig befreit?
Finger gleiten über das Papier, die Struktur des Kunstwerkes, Augen entziffern die Schrift, das Herz spürt die Botschaft.
Vielleicht bekommt die Karte einen Ehrenplatz, für einen Tag oder für immer.
Vielleicht wird sie gerahmt,
vielleicht in einer Schublade aufbewahrt, um Jahre später entdeckt zu werden.
Vielleicht zaubert sie noch lange ein Lächeln auf ein Gesicht.
Risse im Stoff der Zeit.
Fragment aus der Sternenzeit
Ein kleiner Schnipsel, der wirkt wie ein Splitter aus einem unbekannten Universum. Abgetrennt vom Großen, ist es voller Erinnerungen an ferne Galaxien. Tiefes Blau durchzogen von leuchtenden Adern – vielleicht Spuren eines gefrorenen Flusses auf einem vergessenen Planeten? Oder die Risse im Stoff der Zeit selbst?
Rote Strahlen schneiden durch das Dunkel, als hätten uralte Sonnen ihre letzten Funken hinterlassen. Ein Funke, der irgendwo in der Unendlichkeit aufleuchtet, ein Echo aus einer Epoche, die nie unsere war.
Diese Karte ist nun mehr als das große Bild es vorher war. Sie ist ein Tor, eine Botschaft aus der Sternenzeit. Wer sie in den Händen hält, spürt den Hauch des Unbekannten, das Flüstern der Weiten.