Im letzten Drittel meines Lebens ist der Tod zwar eines der zentralen Themen, aber viel wichtiger ist mir die Frage, was ich vor dem Tod mache. Definitiv werde ich dem Sinn des Lebens nicht mehr hinterherlaufen. Mit Gewissheit kann ich für mich feststellen, dass er nicht existiert. Allein meine Existenz ist der Sinn – und die Art und Weise, wie ich mich auf das Leben einlasse. Diese Gewissheit bringt eine besondere Form von Frieden in mein Leben. Ich kann endlich aufhören, mich selbst zu optimieren oder mich über unerledigte To-Do-Listen zu ärgern. Es ist alles in Ordnung, so wie es ist; auch das Leben einfach nur zu genießen, ohne den Versuch, es zu verstehen oder, noch schlimmer, zu kontrollieren.
Demnächst (2023) möchte ich eine Reise mit dem Auto unternehmen. Portugal. Über Frankreich und Spanien. Meine Reise in den Süden Europas soll nicht mit dem berühmten ersten Schritt beginnen, sondern schon lange vorher. Und zwar mit Tagträumen. Diese will ich peu à peu ins Leben überführen. Die Vorfreude, die damit verbunden ist, werde ich zelebrieren. Abends, kurz vor dem Einschlafen, zähle ich mir auf, was es alles zu entdecken gibt, im „Parque Natural do Sudoeste Alentejano e Costa Vicentina“ südlich von Lissabon.
Ich liebe meine Tagträume. Sie sind mein Werkzeugkoffer für ein aufregendes Vorspiel, tagelang und nächtelang.
Für die Expedition selbst werde ich alle anderen Pläne und Projekte hinten anstellen. Nicht, dass ich bis dahin auf dem Sofa liege bleibe, aber ich werde alles andere weniger beachten. Meinem Reiseziel mache ich allerdings schon weit vor dem eigentlichen Ereignis und natürlich während des Aufenthaltes ein großes Geschenk: absolute Aufmerksamkeit.
Vielleicht entdecke ich so den einen Augenblick, der alles verändert. Und vielleicht habe ich genug Mut, diese Erfahrung so ernst zu nehmen, daraus Taten folgen zu lassen. Taten, die meinem Leben eine neue Richtung geben. Allerdings ist dieser Gedanke auch mit einer gewissen Ambivalenz verbunden, denn durch die Suche nach diesem einen Augenblick könnte es passieren, dass ich mich nun wieder ständig auf der Suche befinde und mich nie wirklich auf das Hier und Jetzt konzentrieren kann. Oder – noch schlimmer – in Gefahr gerate, mich auf diese eine Möglichkeit zu fixieren und dadurch blind für andere, vielleicht sogar bessere Möglichkeiten zu machen.
Das klingt, kaum geschrieben, etwas überzogen, auch ein wenig selbstgefällig, aber warum sollte ich mich selbst sabotieren indem ich das Potential, das in der Reise verborgen sein könnte, ungenutzt liegen lasse. Ich bin sicher, dass ich das Tor finden kann, das in eine andere Welt führt. Sollte es dann auch noch geöffnet sein, will ich schnell hindurchschlüpfen; noch bevor es sich wieder schließt.
Portugal, ich komme.
Die notwendigen Details für die Tour notiere ich mir auf einer Liste. So kann ich den Stress vermeiden, der entsteht, wenn man etwas vergessen hat, was existenziell für die Reise ist. Den Tank nicht mit Treibstoff zu füllen oder den Pass liegen lassen, zum Beispiel. Oder das Küchenmesser, das ich benötige, um Kartoffeln und Möhren zu schälen.
Ich mache in meiner Phantasie – WHAT THE FUCK – was ich will.