Der Morgen steht still.
Die Werkstatt wartet.
Ton hält den Atem der Erde.
Das Licht setzt sich an den Rand.
So spricht das Nichts zuerst.
Leise.
Ohne Stimme.
Ein alter Meister aus dem Osten schaut zu.
Er lächelt, weil er den Fluss kennt.
Er weiß um Wege ohne Richtung.
Er weiß um Kräfte ohne Druck.
Gelassenheit kommt barfuß.
Sie trägt kein Werkzeug.
Sie drängt nicht.
Sie legt die Hände in den Schoß der Zeit.
Im Atelier liegt Staub.
Er funkelt wie eine Erinnerung.
Eine Teeschale steht da.
Schwarz.
Offen.
Sie empfängt den Raum.
Laotse sagt nichts.
Er zeigt.
Das Gefäß dient durch seine Leere.
Der Raum wirkt stärker als die Wand.
Gelassenheit gleicht diesem Raum.
Sie hält aus.
Sie trägt.
Sie lässt geschehen.
Wer sie sucht, verfehlt sie.
Wer sie lässt, findet Halt.
Sie wächst dort, wo Absicht weich wird.
Liebe kommt später.
Oder früher.
Zeit zählt hier wenig.
Liebe tritt ein wie ein warmer Luftzug.
Sie ordnet nichts.
Sie verlangt nichts.
Sie bleibt offen wie ein Fenster im Sommer.
Offenheit in den Dingen.
Ein Herzraum im Ton.
Unregelmäßig.
Ehrlich.
Die Wand erzählt vom Weg des Werkzeugs.
Die Innenfläche spricht vom Vertrauen.
Liebe wohnt im Inneren.
Sie hält keinen Besitz.
Sie kennt Nähe als Weite.
Sie erkennt sich im Anderen ohne Griff.
Der alte Meister nickt.
Er kennt diese Bewegung.
Er nennt sie Dao.
Ein Weg ohne Spur.
Das Nichts ist einfach da.
Unauffällig.
Doch alles ruht in ihm.
Es folgt der Form.
Es empfängt den Klang.
Es trägt den Gedanken vor dem Wort.
Das Nichts gleicht einem stillen See.
Kein Wellenschlag.
Aber Tiefe.
Ein Stein fällt hinein.
Kreise entstehen.
Sie vergehen.
So wirkt Liebe.
So wirkt Gelassenheit.
Beide tauchen auf.
Beide ziehen weiter.
Beide lassen Spuren ohne Besitz.
In der Werkstatt öffnet sich der Tag.
Ein Riss im Ton glänzt.
Gold findet seinen Platz.
Heilen ohne Verdeckung.
Die Wunde bleibt sichtbar.
Sie leuchtet.
Gelassenheit heilt so.
Liebe ebenso.
Sie übermalen nichts.
Sie ehren das Geschehene.
Der Bruch als Teil des Ganzen.
Laotse lacht leise.
Er gibt dem Unvollständigen einen Wert.
Er sieht das Ganze im Fragment.
Das Nichts wirkt hier als Bindung.
Es verbindet Riss und Gold.
Es verbindet Mensch und Werk.
Ein Gedanke zieht durch den Raum.
Er setzt sich nirgendwo fest.
So lebt Weisheit.
So lebt Kunst.
Ich liebe diese Haltung.
Sie formt Sätze wie Gefäße.
Kurz.
Offen.
Tragfähig.
Worte stehen wie Becher auf dem Tisch.
Sie warten auf Bedeutung.
Sie zwingen nichts ein.
Das Leben tritt hinzu.
Setzt sich ans Fenster.
Sagt wenig.
Ein Blick reicht.
Versteht den Wert des Schweigens.
Kennt den Trost der offenen Hand.
Liebe zeigt sich in einem Lächeln.
Gelassenheit in der Haltung.
Das Nichts sitzt zwischen beiden.
Es lächelt mit.
Der Tag schreitet voran.
Licht wandert durch die Werkstatt.
Schatten ziehen umher.
Alles bewegt sich.
Nichts drängt.
Meine Finger formen den Ton.
Hinterlassen einen Abdruck.
Was bleibt, bleibt leicht.
Gelassenheit bleibt als Haltung.
Liebe bleibt als Raum.
Das Nichts bleibt als Ursprung.
Eine Teeschale steht da.
Sie trägt Tee.
Sie trägt Stille.
Wer sie hebt, hebt mehr als ein Gefäß.
Er hebt einen Ort.
Einen Zwischenraum.
Dort ruht der Mensch.
Kurz.
Dort atmet er.
Kein Ziel.
Kein Plan.
Nur Weg.
So endet das Märchen.
Ohne Ende.
(Torsten Gripp)
