Stille – Gedanken
Was ist eigentlich Stille, frage ich mich und denke darüber nach, wie viel Gigabyte an Daten ich heute konsumiert habe. Es müssen so um 30 GB sein, denn das ist in etwa der Tagesverbrauch eines vernetzten Mitteleuropäers mit Zugang zum Internet. Das sind so viele Informationen, wie meine Vorfahren im 17. Jahrhundert in ihrem ganzen Leben aufgenommen haben. Kein Wunder, dass ich manchmal verwirrt bin. Kein Wunder, dass ich mich ständig überfordert fühle.
Nur in meiner kleinen Keramik-Werkstatt, bei der Arbeit mit dem Ton, wenn ich mit den Händen arbeite und dabei die Gedanken fließen lasse, umfängt mich eine besondere Form der Stille. Nein, ich habe mein Atelier nicht im „Stillen Örtchen“ eingerichtet. Das liegt in einem anderen Teil meines Hauses. Und die Stille im Atelier ist auch nicht absolut. Es ist ja kein schallisolierter Raum. Doch gerade diese kleine Unvollkommenheit macht die Stille lebendig. Sie wird durch die leisen Stimmen, die durch die Wände hindurch zu hören sind, das sanfte Summen der Heizung und manchmal durch das Zwitschern eines Vogels draußen bereichert. Wenn ich dann auch noch meine Augen schließe und die Welt ausblende, finde ich eine Offenheit und Klarheit in meinem eigenen Geist, die im Alltag oft verloren gehen.
Ein „goldener“ Becher, den ich kürzlich fertiggestellt habe, steht vor mir. Er glänzt nicht nur, sondern symbolisiert für mich eine besondere Form der Stille. In ihm spiegeln sich die ruhigen Stunden wider, die ich mit seiner Herstellung verbracht habe. Jede Berührung des Tons, jedes Geräusch auf der Gipsplatte, war ein Akt des Zuhörens – nicht nur des Materials, sondern auch meiner selbst.
Die Kunst, sich selbst und anderen zuhören zu können, ist in unserer lauten Welt fast schon eine vergessene Fähigkeit. Wie oft sitze ich in einem Raum voller Menschen, und es scheint, als ob die meisten mehr darauf bedacht sind, gehört zu werden, als zuzuhören. Es wirkt wie ein ständiger Wettstreit um Aufmerksamkeit, bei dem sich der Lärmpegel immer mehr in die Höhe schraubt.
Ich habe gelernt, keinen Lärm um mich selbst zu machen. Ich schreibe mittlerweile meine Gedanken lieber auf, als dass ich sie im Gespräch mitteile. Nicht, weil ich den Widerspruch fürchte, nein, im Moment des Schreibens kann ich still sein und einzig die Kraft der Gedanken lassen meine Finger über die Tastatur fliegen. Das Klackern der Tasten erzeugt dann eine wunderbare Melodie und niemand unterbricht mich, um mir seine Genialität zu erläutern.
Mein goldener Becher, der neben dem Bildschirm steht, schreit auch nicht nach Aufmerksamkeit, er glänzt still und zieht dennoch die Blicke auf sich. Er schweigt und doch ist er mehr als nur präsent. Ich erinnere mich an den Moment, als ich in meiner Werkstatt saß und ihn zum ersten Mal betrachtete. In dieser Stille fühlte ich eine tiefe Zufriedenheit, eine Art Frieden, den ich in keiner lauten Unterhaltung je gefunden habe.
Jetzt, in der Adventszeit, der stillen Zeit vor dem Weihnachtsfest und dem Jahreswechsel, denke ich an die Raunächte, die folgen werden. Es ist eine Zeit der Besinnung, der inneren Einkehr. Vielleicht ist es gerade diese Zeit, die uns daran erinnert, wie wichtig es ist, die Stille zu suchen und zu schätzen. In ihr finden wir nicht nur uns selbst, sondern auch eine tiefergehende Verbindung zur Welt um uns herum. So erhebe ich meinen goldenen Becher, gefüllt mit herrlichem Wein, und stoße auf diese wunderbare, fast vergessene Kunst an.