Form für das NICHTS.

Meine Teeschalen entstehen in der japanischen Kurinuki-Technik, jene subtraktive Methode, die stark von der Philosophie des Nichts, inspiriert von Lao Tse, beeinflusst ist. Zwar ist eine sorgfältig gestaltete Form das Ergebnis meiner Bemühungen, doch es ist die Leere, welche die Form definiert und ihre Funktion ermöglicht. Somit ist das Nichts, das den Tee aufnimmt, letztendlich von größerer Bedeutung als die Form selbst. Diese Verbindung zwischen künstlerischer Technik und philosophischem Konzept bildet das Herzstück meiner Arbeit.

Die Teeschalen laden dazu ein, sanft berührt zu werden. Die Berührung durch Hand und Mund entfesselt dann die besonderen Energien von Erde, Feuer und Wasser, die kunstfertig in das Gefäß eingebettet wurden. So verschmelzen Besitzer und Behältnis, und mitten in der Hektik des Tages entsteht ein Augenblick der Stille.

Dass letztlich der köstliche Geschmack des Tees den Gaumen erfreut, bildet den Höhepunkt dieser Reise in die Stille.

Torsten Gripp | Kurinuki und das NICHTS

Martinas Teeschale

Kaum hat der Ton unter meinen Händen seine Form verändert und ist zur Teeschale geworden, und kaum ist er auch nur angetrocknet, hat sich eine Käuferin für sie entschieden. Das ist nicht risikolos für Martina, die Besitzerin in spe, immerhin muss der Ton noch trocknen – viele Wochen lang – und dann die Glasur und den Brand im Ofen bei weit über 1000 Grad Hitze überstehen. Das schafft nur jede fünfte Teeschale vollkommen unbeschadet.

Nach drei Wochen Trocknung wird die Glasur aufgetragen. Die muss nun mindestens 10 Tage trocknen.

Warten auf den Ofen. Natürlich zusammen mit anderen Kollegen.

Geschafft. Martinas Teeschale hat es heil aus dem Ofen geschafft. Nun wartet sie auf ihren ersten Einsatz als Gefäß für heilsamen Tee. Sie wird mir fehlen…

Zurück zur Schale.

Vom Vergnügen mit Ton zu arbeiten. (…)

Die Arbeit mit schwarzer Tonerde bietet eine Fülle von sinnlichen Erfahrungen: das Kneten des feuchten Tons, das Formen durch Druck und Drehung, das Polieren und Glätten der Oberfläche. Doch während dieser Prozess auf den ersten Blick dem Erschaffen einer perfekten Form zu widersprechen scheint, offenbart er stattdessen die Schönheit des Unvollkommenen.
Die Teeschalen, die durch die Kurinuki-Technik entstehen, strahlen eine archaische Anmut aus. Sie tragen deutliche Spuren der Werkzeuge, der menschlichen Berührung und der organischen Entstehung. Ihre Oberflächen präsentieren die Narben und Unebenheiten allen Betrachtern gleichermaßen, doch nicht jeder ist empfänglich für diesen wenig vordergründigen Stil.
In Anlehnung an die Philosophie des Nichts von Lao Tse erinnern mich meine Teeschalen daran, dass das Wesentliche oft im Unscheinbaren liegt. Ihre Einfachheit und Bescheidenheit sprechen eine Sprache, die jenseits von Worten liegt. Sie laden uns ein, innezuhalten und den Moment zu genießen, ohne nach Perfektion zu streben. In ihrer Unregelmäßigkeit offenbaren sie die tiefe Verbindung zwischen Mensch und Natur, zwischen Schöpfer und Geschöpf.