Werkstatt

Suche nach Perfektion

Ich liebe authentische Keramik mit kleinen Fehlern, aber gleichzeitig bin ich äußerst kritisch gegenüber meinen Arbeiten und selektiere diese, direkt nach dem ersten Formen, auch schon mal aus – nach meinem Schönheits-Ideal natürlich. Ich zerstöre sie, noch bevor sie im Ofen auf 1200 Grad erhitzt werden und wo sie eigentlich erst ihre endgültige Farbe und Form bekommen.
Hier zeigt sich mir eine nicht zu unterschätzende Spannung zwischen meiner unbedingten Anerkennung des Zufalls, der Unvollständigkeit einerseits und der Kontrolle und dem Streben nach einem fest definierten Ideal andererseits. Es scheint mir, als pendle ich in einem ständigen Wechselspiel zwischen der Akzeptanz des Unperfekten und dem Drang nach einer idealen, vollendeten Form hin und her.


Die paradoxe Kunst des Töpfers

Ich erinnere mich an einen besonders denkwürdigen Tag in meiner Werkstatt. Der Ton war geformt, ich tänzelte vor Begeisterung, und mit der Kamera bannte ich das glückliche Ergebnis auf die Festplatte. Es war ein Moment der stillen Freude. Doch wie oft täuscht die Stille? Denn im Hintergrund lauert stets mein kleiner, kritischer Dämon, der mit den Prinzipien meiner Philosophie sein Schattenspiel betreibt. Während ich im ersten Moment über die unperfekten Gefäße lächle und ihre Schwächen schätze, beginnt alsbald die kritische Inspektion nach Mängeln. Warum nur, frage ich mich, ist es so schwer, das Ideal des Unvollkommenen zu umarmen, während ich zugleich an einer geheimen Perfektion festhalte?

Lao Tse, der alte Weise, könnte über meine innere Zerrissenheit schmunzeln. „Der Weise handelt nicht und dennoch bleibt nichts ungetan“, sagt er. Vielleicht bedeutet das, dass ich einfach loslassen sollte – die Kontrolle abgeben und den Zufall wirklich walten lassen. Doch dann sehe ich das kleine Stück, das nicht meinen Vorstellungen entspricht, und das innere Zögern beginnt. Soll ich es wirklich behalten oder erbarmungslos verwerfen?

Es ist diese Spannung, die den kreativen Prozess lebendig hält. Die ständige Auseinandersetzung mit dem, was ist, und dem, was sein könnte. Es ist wie ein Tanz mit zwei linken Füßen – ungeschickt, oft peinlich, aber auch voller Charme und unvorhersehbarer Momente.

In Wahrheit, so glaube ich, ist es diese Balance zwischen Akzeptanz und Streben, die meine Arbeit mit dem Ton aus dem Westerwald ausmacht. Wabi-Sabi ermutigt mich, Fehler zu akzeptieren, während mein innerer Kritiker mich dazu bringt, stets nach dem Besten zu streben. Vielleicht ist es genau dieser Widerspruch, der den Werken ihren Zauber verleiht. Am Ende des Weges, wenn die Stücke den Ofen verlassen, habe ich hoffentlich den Mut, sowohl ihre Mängel als auch ihre Schönheit zu sehen. Und in diesem Moment der Erkenntnis werde ich wieder lächeln, eine Melodie summen und das Ergebnis festhalten – ein unvollkommenes, perfektes Werk, das vielleicht den Namen Kunst verdient. Und wer weiß? Vielleicht war es genau das, was Lao Tse gemeint hat, als er sagte: „Die höchste Tugend ist wie Wasser. Wasser gibt allem Leben und strebt doch stets nach dem niedrigsten Ort.“ In meiner Kunst des Töpferns liegt die höchste Tugend eben doch nicht in der Perfektion, sondern in der Akzeptanz des Unvollkommenen.

Also, dieses Mal werde ich nicht selektieren. Alle Stücke auf den Fotos dürfen in den Ofen. Mit neuen Kleidern (Glasuren). Versprochen.