Kaum zu glauben, dass ich gerade noch die Straßen von Wesseling unter den Reifen hatte, und jetzt stehe ich schon in Passau. Ein Ortswechsel, der schneller ging als die Entscheidung, wo ich heute schlafen sollte. Aber hier bin ich nun, mitten im Geschehen, denn heute öffnet die Dult ihre Pforten. Ein Ereignis im Mai, das beinahe mit dem Ruhm des Münchner Oktoberfests mithalten kann.
Der Himmel über der Stadt zeigt sich heute von seiner besten Seite, als hätte er beschlossen, besonders fotogen zu sein. Mit seinen drei Flüssen sieht Passau aus wie eine Collage aus Pastellfarben. Die Sonne strahlt, die Menschen lächeln und die Biergärten sind prall gefüllt. Ein bisschen italienisches Flair mischt sich unter die bayerische Gemütlichkeit, und alle sind froh, endlich wieder das Leben auf den Straßen genießen zu können.
Mein erster Gedanke galt dem Passauer Dom mit seiner berühmten Orgel, der größten der Welt. Doch oh Schreck, sie ist ausgebaut und wird renoviert. Na toll, da hatte ich mich schon auf ein beeindruckendes Konzert gefreut. Aber gut, vielleicht spielt ja der Straßenmusiker um die Ecke auch ganz passabel auf seiner Mundharmonika.
Das Highlight des ersten Tages ist jedoch mein Zimmer im Schloss Neuburg, nur ein paar Kilometer von Passau entfernt. Die Burganlage gibt es seit dem elften Jahrhundert und auch Friedrich der Schöne von Österreich hat hier gewohnt. Irgendwann wollte in dem alten Schloss keiner mehr wohnen und darum hat der Passauer Kunstverein 1922 ein Künstler Erholungsheim aus dem Schloss gemacht. Seitdem erwecken Künstler die Neuburg zu neuem Leben. Und heute bin ich hier. Erhole mich selbstverständlich auch, aber erwecken tue ich heute mal nix. Dafür fühle ich mich wie ein moderner Schlossherr, der aus dem Fenster schaut und den Anblick seines prächtigen Anwesens genießt. Ein Selfie hier und ein Foto da – ich werde noch zum Social-Media-Adeligen.
Der erste Tag meiner Balkanreise könnte kaum perfekter sein. Morgen geht es weiter nach Triest. Über die Straßen Österreichs und durch die Landschaften Sloweniens werde ich vielleicht schon den Abend in Italien verbringen. Eine Reise voller Vorfreude, die heute schon alle Erwartungen übertrifft. Ich kann es kaum erwarten, morgen all die neuen Eindrücke zu erleben und zu entdecken.