Tag 6 der Balkanreise – Risan und Bigovo

Fruehstueck in Risan

Das Frühstück an dem kleinen Picknicktisch am Mini-Hafen vor meiner Unterkunft ist einfach, aber nahrhaft. Über mir blüht der persische Flieder und verströmt einen betörenden Geruch, der mich an die guten alten Zeiten erinnert – an die Zeit, als ich klein war und meine Oma noch lebte. Mit ihr verbinde ich einen Duft aus Kölnischwasser, Puder und einer ganzen Reihe anderer seltsamer Dinge, die ich nicht einmal benennen kann.
Während ich meinen Kaffee aus dem Blechbecher schlürfe, stelle ich mir vor, wie Marco Polo einst diesen kleinen Hafen vor seinem Lagerhaus anlegen ließ. Es muss so gewesen sein. Unbedingt. Immerhin ist es der perfekte Ort, um geheimnisvolle Waren zu lagern und sie unbeobachtet für den Verkauf vorzubereiten. Das Haus, das Marco Polo einst und ich die letzte Nacht, bewohnte, ist riesig – ein beeindruckendes Gebäude, das ich nur teilweise erkunden konnte. Einen Keller habe ich dabei überhaupt nicht entdeckt, obwohl ich fest davon überzeugt war, dass es ein riesiges Gewölbe sein müsste. Ich stellte mir vor, wie es von Fackeln erhellt und von seltsamen Wesen bewacht wird. Doch leider blieb mir dieser Blick in die Tiefe verwehrt. Übrigens: Die Matratze in Marco Polos Apartment war weich. Der Schlaf war fest. Die Träume seicht. 😊

Risan, die älteste Stadt Montenegros, atmet noch immer den Geist ihrer venezianischen Vergangenheit. Die alten Gebäude erzählen Geschichten von vergangenen Zeiten, als die Stadt ein bedeutender Handelsposten war. Heute ist sie zwar weniger geschäftig, aber ihr Charme ist ungebrochen. Während ich durch die engen Gassen schlendere, fühle ich mich wie auf einer Zeitreise, zurück in eine Ära, in der der Handel florierte und Abenteuer hinter jeder Ecke lauerten.
Es ist faszinierend, wie sich die Geschichte in den Mauern dieser Stadt manifestiert hat – von den antiken römischen Ruinen bis hin zu den gut erhaltenen venezianischen Palästen. Jeder Stein erzählt eine Geschichte, und es ist, als könnte man die Vergangenheit förmlich spüren, während man durch die Straßen schlendert. Auch der Kontrast zu den Bausünden aus der Ära Tito, als Montenegro noch ein Teil Jugoslawiens war ist eher interessant, als störend.
Aber jetzt ist es Zeit, weiterzuziehen und neue Abenteuer zu erleben. Wer weiß, welche Geschichten und Entdeckungen an meinem nächsten Reiseziel auf mich warten.

Heute sitze ich in einem eleganten Restaurant in Bigovo, einem kleinen Flecken Erde, der sich als Domizil für den heutigen Tag herauskristallisiert hat. Ein geschäftstüchtiger Unternehmer hat das Vermieten von Apartments in „seiner Bucht“ zu seinem Lebenselixier gemacht. Ein Restaurant gehört dazu und ein Shuttle-Service, der die Menschen von ihren Booten direkt zum Restaurant befördert, vervollständigt das Bild. Ich beobachte das Treiben interessiert. Es wie Kino, nur in echt.
Reiche Menschen scheinen sich hier zu versammeln, als wäre es ein heiliger Ort für diejenigen, die in Geld schwimmen. Noch nie habe ich so viele Menschen mit Schönheitsoperationen gesehen. Elegante – sprich teure – Kleidung und goldene Sonnenbrillen dominieren das Bild. Die Gespräche sind laut, die Bestellungen bei den Kellnern erfolgen mit einer tausendfach geübten Lässigkeit. Eine Languste wird bestellt, landet jedoch nie auf dem Tisch, denn eines der Kinder findet es grausam, sie einfach in der Mitte zu durchtrennen und so zu servieren. Fast hätte ich mich als Resteverwerter angeboten…
Vorher ein kurzer Besuch in Kotor, dort wo die Kreuzfahrer ihre Passagiere für ein paar Stunden ausspucken, nur um sie dann wieder einzuladen, nach ihrem Besuch im „Weltkulturerbe Altstadt Kotor“.

Es ist halb sieben, die Schwalben fliegen tief, und zum ersten Mal auf dieser Reise beginnt es zu regnen. Morgen soll es kälter werden. Und ehrlich gesagt, finde ich das ziemlich gut. Immer nur Sonne kann auch ganz schön langweilig sein. Es ist, als würde die Natur uns hier in Bigovo eine kleine Abwechslung gönnen, um die Luxusyachten und die goldumrandeten Sonnenbrillen zu kontrastieren. Es ist, als würde sie uns daran erinnern, dass nicht alles im Leben so glänzend und makellos ist wie die Oberfläche dieses Meeres, auf dem die Reichen wie moderne Seenomaden leben.

Kleiner Nachtrag: Gewitter im Süden Europas scheinen eine andere Qualität, als in Deutschland zu haben. Gefühlt geht hier gerade die Welt unter. Meine kleine Welt zumindest. Ach, ich weiß nicht, ob ich es schön oder gruselig finden soll?