Unperfekt – Gedanken
Seit Jahren nun versuche ich, meine Töpferkenntnisse zu vervollkommnen. Hier ein Trick, da ein Trick, Arbeitsabläufe perfektionieren, Fehler nicht mehr als zweimal machen. Glasuren testen, Brenntemperaturen anpassen und die richtigen Tonsorten finden. Ich bin quasi ein Töpfer-Sherlock Holmes auf der Suche nach den perfekten Arbeitsabläufen. Doch nun bin ich auf dem Rückweg. Statt möglichst ohne Fehl und Tadel und technisch perfekt zu arbeiten, werfe ich alle Regeln über Bord und stürze mich ins kreative Chaos.
Und, ich muss sagen, das macht entsetzlich viel Spaß. Meine Werkstatt sieht aus wie ein Schlachtfeld. Die Kreationen? Sie wirken nun etwas unfertig, aber irgendwie macht mich das froh. Es ist, als ob die Tassen und Schalen dadurch ihre eigene, schrullige Persönlichkeit entwickeln. Eine kleine, schelmische Schale hier, eine schief grinsende Tasse dort.
Diese Tasse hier ist gerade mitten im Prozess. In ein paar Tagen wird sie durchgetrocknet sein und ist dann bereit für die Glasur und den Brennofen. Bei den letzten Schritten muss ich mich allerdings wieder an die Regeln halten. Ansonsten wird es ein „Nicht-Trink-Gefäß“ – und das wäre so gar nicht in meinem Sinne. Denn, wer will schon eine Tasse, die wie ein Kunstwerk aussieht, aber beim ersten Schluck Kaffee zerbricht oder undicht ist? Ach, es ist kompliziert mit der unperfekten Perfektion. Es ist ein Tanz auf der schmalen Linie zwischen Kontrolle und Chaos. Zwischen dem Streben nach makelloser Schönheit und der Freude an der spontanen Unvollkommenheit. Wenn ich ehrlich bin, finde ich genau hier die wahre Erfüllung. In der Balance zwischen Technik und Freiheit, zwischen Planung und Zufall.
Das Töpfern hat mich gelehrt, dass Perfektion nicht immer das Ziel sein muss. Manchmal ist es viel befriedigender, den Ton einfach in alle Richtungen zu formen und zu sehen, was passiert. Die besten Stücke sind oft die, bei denen ich die Kontrolle loslasse und ich spielerisch mit dem Material „matsche“. Am Ende muss das Gefäß noch funktional sein, aber der Weg dorthin kann ruhig ein wenig kreativ sein, finde ich.
Also, während diese Tasse trocknet und auf ihren finalen Schliff wartet, lehne ich mich zurück und genieße den Moment. Denn im Chaos der Werkstatt finde ich endlich ein Stück von mir selbst. Ein Stück, das nicht immer perfekt sein muss, um glücklich zu sein.