Kokoro-Kurinuki

Schlichtvermutlich.
Ein Becher wie damals.

Neulich hielt ich ein kleines Seminar für eine Gruppe begeisterter Kurinuki-Jüngerinnen. Ich war der Dozent. Sie waren die Eifrigen. Es wurde geschnitzt, geraspelt und gestaunt. Und nebenbei entstand – als Anschauungsobjekt – ein Becher.

Ein schlichter Becher. So schlicht, dass er eigentlich unter die Kategorie „Übersehen“ fiel. Keine spektakulären Kratzer, keine dramatischen Einkerbungen. Nur Ton. Dunkel und matt. Mit einem kleinen Achat poliert, sodass er einen leisen Schimmer hatte, als wäre er sich seiner Würde nicht ganz sicher. Die Wände dünn, der Fuß klassisch. Kein Experiment, keine Exzentrik. Ein Becher, wie ihn jeder um das Jahr Null hätte gebrauchen können.

Und dann dachte ich: So sieht der heilige Gral aus.

Nicht aus Gold, nicht mit Edelsteinen besetzt. Kein Lichtstrahl aus der Höhe, kein göttliches Raunen. Nur Ton. Schlicht, bereit für Wasser, Wein und nochmal Wasser.

Natürlich sagte ich das nicht laut. Die Damen hätten mich womöglich besorgt angesehen. Also nickte ich nur und murmelte: „Ja, so geht das auch.“

Aber insgeheim wusste ich: Da war etwas Heiliges in dieser Schlichtheit. Nicht heilig im sakralen Sinne – ich bin kein Priester, und der Becher ist keine Reliquie. Doch er besitzt eine Art stiller Vollkommenheit, die man nicht erklären kann, ohne wie ein Esoteriker zu klingen. Ich glaube, das konnte nur ich empfinden. Niemand sonst auf der Welt. Und das ist in Ordnung so.

Nun geht er für mich durchs Feuer. In den nächsten Wochen wird er in den Ofen wandern, Hitze und Flammen trotzen, vielleicht einen Riss bekommen, vielleicht auch nicht. Er wird sich verwandeln, ein wenig dunkler, ein wenig fester, vielleicht mit einem Hauch von Glanz. Oder er wird brechen. Dann wird er für immer ein halber heiliger Gral sein. Aber bis dahin warte ich.

Und schaue ihn noch einmal an.

Er schaut nicht zurück.

Das gehört zu seiner Würde.