Der fünfte Tag.

Nach dem Frühstück mache ich mich auf zu einem Morgenspaziergang. Obwohl, eigentlich handelt es sich eher um eine morgendliche Wanderung. Warum? Weil heute fabelhafte Höhlen aus grauer Vorzeit auf mich warten. Steinzeitmenschen sollen ihre kreativen Ideen an den Wänden hinterlassen haben – in Form von prähistorischem Graffiti.
Eine holprige Fahrt durch die Schluchten erwartet mein Auto – es darf mit. Schließlich soll diese Reise nicht nur mir zugutekommen, sondern auch meinem fahrbaren Untersatz. Ein Beweisfoto mit dem Auto und den majestätischen Bergen im Hintergrund ist ein Muss, schließlich müssen auch Autos mal angeben. Nach einer Weile jedoch verhindern dicke Steine die Weiterfahrt, schnell ein Foto und ich setze meine Reise zu Fuß fort. Kurve für Kurve nähere ich mich der angekündigten Höhle. Und weiter geht’s, immer weiter… hinter jeder Biegung glaube ich, endlich die Graffitis zu finden. Aber nein, es ist immer nur die nächste Biegung, die mich hoffen lässt. Nach der nächsten… immer noch nichts. Ich bin schon seit einer gefühlten Ewigkeit unterwegs. Und denke daran, dass ich dieselbe Strecke auch wieder zurück muss. Rückweg. Dann plötzlich eine Höhle, ich muss sie auf dem Hinweg übersehen haben. Kurz entschlossen krieche ich hinein. Sehe nichts. Eine Taschenlampe habe ich natürlich nicht dabei. Ich bin schließlich kein Höhlenforscher. Mein Handy hat ein Lampenfunktion. Und im Schein dieser Funzel sehe ich.. nichts. Kein Graffiti. Enttäuscht laufe ich weiter.

Die Sonne zeigt sich von ihrer besten Seite. Ich knipse ein Foto nach dem anderen und grinse wie ein Honigkuchenpferd, nur weil ich diese atemberaubende Landschaft erleben darf.

Memo an mich: Nächstes Mal unbedingt alte Farb-Pigmente mitnehmen. (…)

Falls ich eine Steinzeithöhle finde, kann ich dann meine eigenen Graffiti hinterlassen. Was für ein genialer Gedanke! Und die Vorstellung, dass jemand meine Kunstwerke eines Tages entdeckt und diesen Ort zu einer uralten Attraktion macht, bringt mich dazu, mitten beim Laufen laut loszulachen.

Dann geht es auch schon auf die Autobahn Richtung Toledo. Die ersten 200 Kilometer verlaufen reibungslos – freie Fahrt! Aber dann taucht Madrid in der Ferne auf, und die Fahrer werden hektisch. Schnell wird mir klar: Spanische Autofahrer im Allgemeinen fahren dicht auf. Sie bewegen sich durch den Verkehr wie Michael Schumacher im Formel-1-Zirkus. Jede Gelegenheit zum Überholen wird genutzt. Dafür haben sie definitiv Talent.
In der Altstadt von Toledo merke ich leicht panisch, dass die Straßen hier so eng sind, dass ich mich frage ob sie überhaupt für Autos gemacht wurden. Aber egal, sie sind alt, also muss ich ihnen das verzeihen. Jemand hat mir erzählt, dass in der Straße, in der mein Hotel steht, schon viele Ausländer stecken geblieben sind. Das scheint die Einheimischen zu amüsieren und bringt Abwechslung in ihren Alltag. Mir treibt es den Schweiß auf die Stirn. Das Hotel, in dem ich heute Nacht schlafen werde, ist von außen eher unscheinbar. Innen begrüßt mich ein charmanter Innenhof mit spanischem Flair. Es wurde kürzlich renoviert, und obwohl mein Zimmer klein ist, ist es wirklich gemütlich.


Das Bett! Das Bett ist einfach herrlich. Es ist weich, aber nicht zu weich. Fast perfekt, würde ich sagen – wäre da nicht diese doppelte Decke, die sich in der Nacht in ein gefräßiges Monster verwandeln wird und scheinbar nur auf mich gewartet hat.

Vom Tourismus in Toledo. (…)

Toledo, oh Toledo, eine Stadt, die sich gänzlich dem Tourismus verschrieben hat. Hier findet man Marzipan und Stahlwaren im Überfluss, vor allem Messer und Dolche, als ob sie glauben, wir Touristen müssten uns gegen wildgewordene Don-Quijotes verteidigen! Und natürlich gibt es die üblichen Souvenirs, die man überall in Spanien ergattern kann. Und was ist mit den Spaniern? Nun ja, die sind hier eher eine seltene Spezies. Man sieht sie in den Geschäften, wo sie Touristen bedienen, oder als Stadtführer, wenn sie versuchen, die orientierungslosen Massen zu bändigen.
In der Altstadt von Toledo reihen sich Monumente an Monumente, als hätten sie eine Konferenz der imposanten Gebäude einberufen. Diese gewaltigen Steinquaderbauten mit ihren hohen Räumen und riesigen Fenstern sind beeindruckend, aber sie machen mir auch Angst. An einigen Häuserecken haben sie sogar Jesus aufgehängt. Er schaut leidend auf die vorbeieilenden Fußgänger. Doch die Fußgänger selbst? Die haben nicht die geringste Ahnung, von wem sie da beobachtet werden.

In den engen Gassen der Altstadt ist ein wahres Sprachengewirr zu hören. Amerikaner sind die Könige des Lärms. Die Koreaner schleichen dagegen in ihren riesigen Hüten herum, als würde die Sonne sie sonst in Staub verwandeln. Japaner hetzen von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten, während die Chinesen mit Kameras rumlaufen, die wahrscheinlich mehr wert sind als mein gesamtes Hab und Gut.

Ich will so schnell wie möglich wieder verschwinden. Kein Messer, kein Marzipan, nicht einmal ein Schinkenbrot will ich kaufen. Toledo, das ist gewiss ein Ort voller Kontraste und Überraschungen, aber nichts für mich. Ein Abenteuer fürwahr, aber nicht unbedingt mein persönlicher Favorit auf dieser Reise durch das wunderbare Spanien!