Tag 18 der Reise – Avignon

Einmal mehr führt mich meine Reise durch die malerischen Landstriche Frankreichs, und dieses Mal ist Avignon an der Reihe. Die Stadt, die einst Residenz der Päpste war, wartet darauf, von mir entdeckt zu werden. Doch bevor ich mich in die historischen Gemäuer des Papstpalasts stürze, muss ich natürlich meine Prioritäten klären – sprich: wo finde ich das beste Essen und das günstigste Bier?
Es ist schon erstaunlich, wie sehr sich mein Fokus beim Annähern an eine Stadt verschoben hat. Statt die architektonischen Wunder zu bewundern, spähe ich eher die Speisekarten aus und halte Ausschau nach einem ganz speziellen Kellnermesser mit genau dem richtigen und patentierten Klappmechanismus. Eine echte Aufgabe, das mich durch die Gassen der Stadt führt, während ich nebenbei den astronomischen Preisen für ein Glas Bier in den Kneipen nachstaune. Aber was solls, wenigstens ist der Käse hier erschwinglich! Ob die Franzosen deshalb so gerne Käse essen? Es liegt zumindest nahe.
Der Besuch des Papstpalasts mit seinen Gärten und der halben Brücke über der Rhone stehen natürlich auch auf dem Plan, aber irgendwie verschwimmen sie mit all den anderen Sehenswürdigkeiten, die mir bereits auf meiner Reise begegnet sind. Und wo auch immer ich hinkomme, die gleichen Touristen schwirren umher – Amerikaner, Koreaner, Chinesen und natürlich die unvermeidlichen Deutschen mit ihren Reiseführern in der Hand.
Doch die wahren Helden dieser Reise sind die Polen. Sie scheinen über einen geheimen Reiseführer zu verfügen, der ihnen Zugang zu den besten Schnäppchen und versteckten Juwelen gewährt, während der Rest von uns ratlos umherirrt.
Und dann wären da noch die Einheimischen, die es vorziehen, nur Französisch zu sprechen und alle anderen dafür belächeln, die diese Sprache nicht beherrschen. Außer natürlich, wenn es ums Geschäftemachen geht – da sind sie auf der Stelle freundlich und sprachgewandter. Aber nun bin ich böse. Die Franzosen, die ich kennenlerne durfte waren alle freundlich und fehlende Sprachkenntnisse wurden schnell durch Zeichensprache und Einfühlungsvermögen ausgeglichen.

Mein Apartment für die nächsten Nächte entpuppt sich als ein ganz besonderes Refugium zwischen den Apartments von Madame Bonnet und Monsieur Calpet in einer Seniorenresidenz. Wenn wir uns im Aufzug begegnen und uns gegenseitig ein fast schon überschwängliches „Bonjour“ entlocken, Madame Bonnet sich mit dem Rollator noch schnell mit in die Kabine zwängt, kann ich mir ein Grinsen kaum verkneifen. Ein ganz spezieller Vorteil in einer Seniorenresidenz ist die Tatsache, dass das Internet keine besonders große Rolle spielt und ich die volle Bandbreite des Netzes zur Verfügung habe. Auch ist es abends eher ruhig, meine Mitbewohner gehen früh schlafen. Die Tür verschließe ich heute lieber, nicht, dass mich jemand besuchen kommt, der krankheitsbedingt die Orientierung verloren hat.

Und was steht für morgen auf dem Programm? Ein früher Besuch der Markthallen, ein ausgiebiges Frühstück und natürlich die Jagd nach dem perfekten Kellnermesser. Wer weiß, vielleicht stoße ich dabei auf weitere unerwartete Überraschungen in dieser Stadt voller Geschichte und Gaumenfreuden.