Form für das NICHTS.

Meine Teeschalen entstehen in der japanischen Kurinuki-Technik, jene subtraktive Methode, die stark von der Philosophie des Nichts, inspiriert von Lao Tse, beeinflusst ist. Zwar ist eine sorgfältig gestaltete Form das Ergebnis meiner Bemühungen, doch es ist die Leere, welche die Form definiert und ihre Funktion ermöglicht. Somit ist das Nichts, das den Tee aufnimmt, letztendlich von größerer Bedeutung als die Form selbst. Diese Verbindung zwischen künstlerischer Technik und philosophischem Konzept bildet das Herzstück meiner Arbeit.

Die Teeschalen laden dazu ein, sanft berührt zu werden. Die Berührung durch Hand und Mund entfesselt dann die besonderen Energien von Erde, Feuer und Wasser, die kunstfertig in das Gefäß eingebettet wurden. So verschmelzen Besitzer und Behältnis, und mitten in der Hektik des Tages entsteht ein Augenblick der Stille.

Dass letztlich der köstliche Geschmack des Tees den Gaumen erfreut, bildet den Höhepunkt dieser Reise in die Stille.

Torsten Gripp | Kurinuki und das NICHTS

Beynac-et-Cazenac

Es ist wirklich erstaunlich, wie leer die Autobahn heute ist. Ein echter Roadtrip steht an, und ich habe vor, über 600 Kilometer zu bewältigen. Dankbar bin ich dafür, dass die Mautautobahnen frei von Verkehr sind. Vielleicht bin ich naiv, aber ich vermute, dass die Raubritter auf Geschwindigkeitsblitzer verzichten, wenn man brav Maut bezahlt. Das gefällt mir natürlich.
Während meiner Fahrt heute ist Selbstversorgung angesagt. Nach dem Tanken auf der Autobahn bleibt nur noch Platz für ein Croissant und selbstgemachten Kaffee auf dem Parkplatz. Aber wisst ihr was? Das schmeckt trotzdem oder vielleicht gerade deswegen besonders gut.

Nach mehr als sechs Stunden Fahrt taucht plötzlich eine Burg in der Ferne auf. Das Castell de Beynac.

Zwischendurch habe ich noch schnell eine Unterkunft gebucht, aber als ich dort ankomme, kann ich sie einfach nicht finden. Ich fahre zweimal daran vorbei. Das kann doch nicht sein, denke ich mir. Aber doch, es ist so. Eine freundliche Frau in einer Kittelschürze steht am Straßenrand, hält mich an und fragt, ob ich der Deutsche für die Nacht in ihrem Haus sei? Eifrig lasse ich den Kopf von oben nach unten fliegen. Das freut sie sehr und resolut führt sie mich in ihr Gästehaus. Ein Haus mit einer Küche, einem Grillplatz, einem Kaminzimmer, einem Aufenthaltsraum, einer Sonnenterrasse und einer Liegewiese neben dem Kastanienwald. Ganz für mich allein. Es ist kaum zu glauben.

Und dann sehe ich durch eine Waldlichtung auch die Burg. Sie liegt in greifbarer Nähe. Ich halte den Atem an. Lange. Es ist kaum zu glauben, was ich hier sehe. Die Aussicht auf die Dordogne und diese alte Burganlage sind atemberaubend.

Es ist schon eine Weile her, seit ich die französische Küche so intensiv erkundet habe, und ich kann mit Bestimmtheit sagen, dass dieser Abend eine kulinarisches Besonderheit ist.

Zur Vorspeise wurde mir ein Teller mit Entenmägen an Salat serviert. Entenmägen! Ich hatte schon von der französischen Vorliebe für Entengerichte gehört, aber das war etwas Neues für mich. Nun, ich betrachte mich als Abenteurer, und so stürze ich mich mutig auf die zarten, saftigen Mägen. Das Ganze selbstverständlich begleitet von einem Glas hervorragenden französischen Rotweins, der die Mägen ganz hervorragend zähmte.

Als der Hauptgang kommt, ist meine Neugier auf die französische Küche noch immer nicht gestillt. Entenschenkel mit frischem Gemüse stehen vor mir auf dem Tisch. Ich liebe Hühnerschenkelchen, aber das hier ist doch eine ganz andere Hausnummer. Die Beinchen sind so zart und lecker, dass ich fast das Gefühl habe, die Ente hätte vorher einen Termin beim Masseur gehabt, um so zart zu sein. Das kackige Gemüse dazu ist ein wunderbarer Kontrast.

Doch das Highlight des Abends aber war zweifelsohne der Nachtisch. Die Spezialität der Region ist warmer Walnusskuchen mit Sahne. Ein süßer Abschluss für diesen kulinarischen Ausflug. Der Kuchen ist so warm und nussig, dass ich das Gefühl habe, er ist direkt aus Omas Ofen gekommen. Die Sahne und die Karamell-Soße dazu sind wie der Himmel einer perfekten Sommernacht.

Während ich meinen Kaffee schlürfe und den letzten Bissen des himmlischen Nachtischs nachklingen lasse, kann ich nicht anders, als zu schmunzeln. Die Franzosen mögen vielleicht exzentrisch sein, aber wenn es ums Essen geht, sind sie wahre Meister. Mein Abendessen ist ein echter Gaumenschmaus und bereits der zweite Abend meiner Reise ist eine Reise in die französische Kulinarik, die ich so schnell nicht vergessen werde.

In diesem kleinen Restaurant an einem gemütlichen Abend in Frankreich wird mir bewusst, dass die Abenteuer des Lebens oft auf unscheinbaren Tellern auf irgendwelchen Tischen beginnen.

Aber jetzt ab ins Bett. Die Matratze? Wieder hart. Gott, ich werde noch zum Asketen.

Kleiner Nachsatz: Hier in diesem wunderbaren Haus in der Natur wimmelt es von Tieren. Wildschweine in den Walnusswäldern direkt am Haus. Eidechsen wärmen sich am Ende des Tages an den Mauern und Vögel piepen eine Abendarie. Ansonsten zeigen sich hauptsächlich Insekten, die das Licht lieben. Zwei von ihnen haben sich auf meine rechte Hand gesetzt, und nun juckt es wie verrückt. Eine dicke Wanze kriecht auf dem Tisch geradewegs auf mich zu. Es fehlt nur noch, dass jetzt ein Wildschwein durch das Fenster hereinspaziert oder eine Hexe auftaucht, die mich zum Abendessen verspeisen möchte. Aber hey, das ist doch Teil des Abenteuers, oder?

Weiter geht’s…

Die Ausstellung ist nun Teil der Vergangenheit. Für die Zukunft mache ich keine großartigen Pläne. Gegenwärtig arbeite ich wieder am Projekt „Teeschalen“.

Komogai-nari.

Details

Ein interessanter Aspekt des schwarzen Tons ist auch seine vielfältige Verwendung in verschiedenen Kulturen. In einigen Kulturen gilt er als Symbol für Eleganz und Wohlstand, während er in anderen als Ausdruck von Schlichtheit und Natürlichkeit angesehen wird. Die Töpfertraditionen und -techniken variieren von Land zu Land, wodurch eine große Vielfalt an schwarzen Tonerzeugnissen entsteht. Von filigranen Teeschalen bis hin zu rustikalen Vasen – die Möglichkeiten sind nahezu unbegrenzt.

Schwarzer Ton

in Form

einer Teeschale

auf dem

Tisch.

unfassbar.

Ich glaube, diese Schale wird meine Lieblingsschale. Sie hat mir den Glauben an Schönheit – trotz Makel – zurückgegeben. Ihre dunkle Farbe und einzigartige Textur erinnert mich daran, dass die Kunst des Töpferns nicht nur darin besteht, etwas Schönes zu schaffen, sondern auch, uns selbst zu erkennen und unsere Verbindung zur Welt um uns herum zu entdecken. Diese Arbeit, so wie sie oben auf dem Foto zu sehen ist, ist einzigartig und doch Teil eines größeren Ganzen. Sie ist Teil meines künstlerischen Schaffensprozesses und gleichzeitig auch Teil der Geschichte und Tradition der Keramik. Ich fühle mich geehrt, Teil dieser Tradition zu sein. Tief in mir gibt es eine Demut, die ich fühle, wenn ich diese Arbeit betrachte. Ich weiß, dass ich immer noch viel zu lernen habe, und dass ich noch viele Fehler machen werde. Ich weiß auch, dass ich diese Arbeit nicht alleine geschaffen habe, sondern dass ich von der Natur und von anderen Menschen beeinflusst wurde. Die Kunst des Töpferns hat etwas Besonderes an sich, etwas fast Spirituelles. Es erfordert Geduld, emphatische Fähigkeiten und Hingabe. Es erfordert Ehrfurcht vor der Natur und den Materialien. Mein Gegengeschenk: Eine Trinkskulptur.

Keine wie die Andere

Jede Teeschale geht durch meine Hände. Sorgfältig geformt. Glasiert. Mit der richtigen Temperatur gebrannt. Ich habe immer eine genaue Vorstellung vom Endergebnis, aber meistens kommt etwas dazwischen. Das Zufällige. Die Temperatur des Brennofens, die Zusammensetzung der Glasur und des Tons lassen sehr viel Spielraum dafür. Ich liebe dieses Handeln nach dem Zufallsprinzip, denn so entsteht Einzigartigkeit. Ich möchte mit meinen unverwechselbaren Keramiken zur Achtsamkeit anregen.
Du hast eine Teeschale bekommen?
Nimm sie in die Hand. Betrachte sie aus der Nähe. Dann aus der Ferne. Fülle sie mit sorgfältig zubereitetem Tee. Betrachte sie erneut. Koste den Inhalt. Drehe die Schale in deinen Händen. Spüre die Wärme. Lass die Farben auf dich wirken. Schmecke den Tee. Verliere dich…

Komogai-nari II

Frisch geformt, der Ton ist gerade lederhart getrocknet, schlage ich mit einem kleinen Hammer runde Vertiefungen in den Ton. Dieser verdichtet sich und bekommt ein Dekor, wie man es von der Metallbearbeitung kennt. Hammerschlag. Mir gefällt es sehr.
Mit einer Polierkugel wird der Trinkrand und das Innere der Schale poliert. Nach ein paar Wochen Trocknungszeit bekommt die Schale eine passende Glasur und dann geht es auch schon in den Ofen.

Als Töpfer gibt es wohl kaum eine Situation, die mehr zur Verzweiflung treibt, als die Wartezeit zwischen dem Formen der wunderschönen Tonkreationen und dem Moment, in dem sie endlich aus dem Ofen kommen und ihr wahres Potenzial entfalten. Es ist eine Wartezeit voller Unsicherheit und Zweifel, eine Zeit, in der mich immer wieder frage, ob der Ton zu dick oder zu dünn ist, ob die Glasur richtig aufgetragen ist oder ob ich vielleicht doch irgendwo einen unsichtbaren Riss übersehen habe.
Die Wartezeit beginnt direkt nachdem ich die Keramiken in den Ofen gestellt habe. Zuerst ist es nur eine leichte Ungeduld, ein bisschen wie das Warten auf den Bus, der nie pünktlich ist. Aber dann wird es schlimmer. Die Minuten ziehen sich zu Stunden und die Stunden zu Tagen. Ich beginne mich zu fragen, ob ich wirklich alles richtig berechnet habe. An dieser Stelle versuche ich mich abzulenken, indem ich mich auf andere Dinge konzentriere, aber mein Geist kehrt immer wieder zu den Keramiken im Ofen zurück. Aber dann kommt der Tag, an dem der Ofen endlich abkühlt ist und ich die Tür öffnen kann. Leider stelle ich jedes Mal aufs Neue fest, dass die zukünftigen Teeschalen immer noch heiß sind und ich muss erneut warten, bis sie endlich in den Händen halten kann.
Und wenn sie dann endlich vor mir stehen, prüfe ich aufgeregt die Veränderung, die sie durch die Temperatur und Glasur erfahren haben. Manchmal ist das Ergebnis genau so, wie ich es mir vorgestellt habe, aber oft genug bin ich enttäuscht und muss mich fragen, was ich falsch gemacht habe.
Aber trotz all der Enttäuschungen und Frustrationen werde ich niemals aufhören, neue Teeschalen herzustellen, denn die Freude, die ich empfinde, wenn ich sie in den Händen halten und sie bewundern kann, ist unbeschreiblich und es ist diese Freude, die mich durch all die Wartezeiten hindurch trägt.