
DIY
Im Eimer
2025
Das Jahr der Becher.
Becher, Becher, Sturzbecher
Mit der Trichterform habe ich momentan „meine Form“ für Trinkgefäße gefunden. Ich favorisiere sie, weil sie dem Deutschen Sturzbecher so ähnlich ist.
Die Geschichte der Trichtergefäße – insbesondere des Sturzglases – ist eng verknüpft mit der Entstehung und Entwicklung der deutschen Trinkgewohnten im späten Mittelalter und der frühen Neuzeit. Der Begriff Sturzglas stammt ursprünglich aus der Glasmachertradition und bezeichnete ein Gefäß, dessen Form eine trichterförmige, nach unten schmaler werdende Öffnung hatte. Diese Form war besonders geeignet, die Flüssigkeit in einem kontinuierlichen Strom zu präsentieren und zu konsumieren. Die Sturzgläser wurden sehr selten im alltäglichen Gebrauch verwendet. Im Unterschied zum normalen Trinkgefäß hatten sie nämlich keinen Fuß und waren daher ziemlich unpraktisch. Ihr Inhalt musste aus diesem Grund mit einem großen Schluck – hinuntergestürzt – und das Glas danach auf den Tisch gelegt oder mit der Öffnung nach unten abgelegt werden.
Traditionell wurde durch die Benutzung eines Sturzglases nicht nur das gemeinsame Mahl aufgelockert, sondern man konnte auf wenig subtile Weise einen großen Schluck nehmen und ein Vivat aussprechen. Gerade die brandenburgisch-preußische Hofgesellschaft fand großen Gefallen an diesen besonderen Gläsern.
Was meine eigene Arbeit betrifft, so sehe ich meine Trichtergefäße, die ich in der Kurinuki-Technik fertige, als eine moderne Antwort auf diese Tradition – nur mit dem Unterschied, dass meine Gefäße einen Fuß haben und von allein stehen können. Jeder dieser Becher ist in seiner Form so abgestimmt, dass er der spezifischen Funktion des jeweiligen Getränks gerecht wird. Der hohe Becher für Sherry und Wein ist so gestaltet, dass die Form die Aromen im Glas bündelt, während die breitere Becherform für Tee und Kaffee die Wärme länger speichert und das Getränk angenehmer hält. Der kleine Espresso-Becher schließlich ist kompakt und bringt durch die Form die Intensität und den Charakter des Getränks zur Geltung.
Ob und inwiefern farbige Glasuren eine Rolle spielen werden, weiß ich noch nicht so genau. Der Prozess der Glasur ist für mich eine Möglichkeit, die Form zusätzlich zu betonen oder mit neuen Aspekten zu kontrastieren. Doch in dieser Phase meiner Arbeit ist es mir wichtig, dass die Form selbst in ihrer Reinheit und in ihrem Ausdruck klar bleibt. Die Glasur soll das Gefäß begleiten, ihr nützlich sein, nicht überlagern.
Becher statt Teeschalen?

Zehn Aspekte Becher herzustellen
Die Herstellung einfacher Gegenstände aus natürlichen Materialien fasziniert mich. Diese Dinge besitzen eine stille, beinahe erhabene Würde, besonders wenn sie absichtlich schlicht und ungeschmückt bleiben. Ein Becher aus Ton, der lediglich dazu dient, Flüssigkeiten zum Mund zu führen, wird zum Sinnbild dieser Idee.
Japanische Teeschalen, die heute hoch verehrt werden, hatten einst einen ähnlichen, profanen Ursprung. Die Kizaemon-Schale, die im 15. Jahrhundert in Korea als einfache Reisschale entstand, ist ein Beispiel dafür. Ihr Wert und ihre Bedeutung entwickelten sich erst im Laufe der Zeit durch die Reflexion und Wertschätzung einflussreicher Menschen. Heute steht sie, eingebettet in Seidentücher und Holzboxen, im Kohô-an Subtempel des Daitokuji in Kyôtô. Ihr Schöpfer, der sie vor Jahrhunderten eher nachlässig auf der Drehscheibe formte, hätte sich diesen Wandel wohl kaum vorstellen können.
In Anlehnung an die Kizaemon-Schale fertige ich schlichte Trinkbecher. Allerdings ohne Drehscheibe, aber mit einfacher Glasur. Sie sind manchmal etwas schief oder unregelmäßig, doch ich schätze sie in dem Moment, in dem sie unter meinen Händen Form annehmen. Asiatische Werte wie Wabi-Sabi und Zen beeinflussen meine Arbeit, aber ich interpretiere sie auf meine Weise: „Wabi“ als Beschränkung auf das Wesentliche und „Sabi“ als die Spuren des Lebens, die Alterung und die Poesie der Existenz.
Zu Beginn eines jeden Gefäßes steht die Frage nach der Form. Ich leite sie aus dem Verhältnis von Höhe und Breite ab und berücksichtige, dass der Becher Flüssigkeiten zum Mund führen soll. Der Raum – das Nichts – der genau dafür entsteht, ist das Zentrum, um den herum der Becher geformt wird. Dabei erlaube ich mir den Luxus, die Proportionen von Gefäß zu Gefäß zu variieren. Je nach Laune und göttlicher Fügung entsteht so jedes Mal ein einzigartiges Stück. Dieses Spiel mit den Formen und die Freude an der Arbeit mit Ton sind für mich Ausdruck einer tiefen Verbundenheit mit Materie und Tradition.
Magische Becher
Die Verwandlung von Wasser in Wein
Im Mittelalter dienten bei den einfachen Leuten fast ausschließlich Keramikbecher als Gefäße. Sie waren dabei mehr als nur Werkzeuge, um Flüssigkeiten aufzunehmen. Sie waren stille Hintergrund-Zeugen des täglichen Lebens, und ganz besonders der Rituale und Zeremonien, die eine Gemeinschaft zusammenhielten. Heutzutage sind sie ein wenig in Vergessenheit geraten. Vielleicht weil sie zu rustikal sind, oder es bessere Materialien gibt, ich weiß es nicht wirklich. Ich liebe Becher aus Ton und darum stelle ich sie immer und immer wieder her.
Diese Gefäße, noch im unfertigen Zustand, ohne glättende Glasur, am heiligen Abend entstanden, üben für mich eine besondere Faszination aus. Jede Linie, jede Form offenbart mir in aller Offenheit ihre Seele. Es ist, als würden sie mit mir sprechen, mich auffordern, sie dem Brennofen zu übergeben, damit sie ihre endgültige Gestalt enthüllen und endlich ihrer Bestimmung folgen zu können: Tee, Wein oder Wasser aufzunehmen und…. vielleicht zu verwandeln. Ein Becher, der Wasser in Wein und Wein in Blut verwandeln könnte, ist eine kraftvolle Metapher für die tiefe Verbindung zwischen Mensch und Objekt, für die Möglichkeit des Wandels und der Transzendenz. Er steht für meine tiefe Sehnsucht nach Magie und Bedeutung im Alltag.
Vielleicht ist es gar nicht der physische Akt der Verwandlung, den ich mir dabei vorstelle, sondern die Art und Weise, wie diese Becher unsere Wahrnehmung und unser Erleben des Moments des Trinkens verändern. Ein Schluck Tee aus einem solchen Becher kann uns in eine andere Zeit und an einen anderen Ort versetzen, wo die Grenzen zwischen Realität und Imagination verschwimmen. Sie sind mein Beitrag und Aufruf zu einer ganz besonderen Achtsamkeit, die unser Leben bereichern und uns die Möglichkeit zur inneren Verwandlung bieten könnte.






















































