Im Zickzack durch Portugal

Heute geht es nach Fatima.
Als ich vor einigen Jahren den Jakobsweg nach Santiago pilgerte, sah ich nicht nur die gelben Jakobsweg-Pfeile, sondern auch die blauen Pfeile, die entgegengesetzt meines Weges, nach Fatima wiesen. Damals wusste ich nicht viel von Fatima, es hat mich allerdings sehr fasziniert. Da ich jetzt mit dem Auto unterwegs bin, ist ein kleiner Umweg kein Problem. Schließlich gibt es in Fatima die viertgrößte katholische Versammlungshalle der Welt.

Fatima vs. Santiago de Compostela. (…)

Das Fatima, das ich dann erlebe, ist sozusagen der Ying zum Yang von Santiago de Compostela. Ein Ort, der so trist ist, dass er einem geradezu den Atem raubt. Die Bewohner dieser Stadt wirken, als hätten sie das Ende des Saison-Marathons gerade eben so erreicht. Sogar die Souvenirverkäufer haben aufgegeben – ja, ihr habt richtig gehört, die Souvenirverkäufer! Die halten ihre Hände still und warten darauf, dass ein Wunder geschieht. Vielleicht sollten sie darauf hoffen, dass ich in ihren Laden stolpere und sich ihr trauriges Schicksal wendet.

Die Restaurants in dieser Stadt haben nicht nur Speisekarten, nein, sie haben Speisekarten mit Bildern vom Essen! Das ist mein persönliches Alarmzeichen Nummer eins, wenn ich auf Reisen bin. Wenn ein Restaurant seine Gerichte auf Bildchen präsentiert, dann ist das so, als ob es mit leuchtenden Neonbuchstaben schreien würde: „Hier gibt es Essen, das so schlecht ist, dass wir es nur in Bildform zeigen können, damit ihr nicht sofort das Weite sucht!“
Ich schaue genau hin und entdecke Prunk, graue Flächen, Kälte und eine erschreckende Ausdruckslosigkeit. Die kleine Kapelle, die einst für die Kinder errichtet wurde, geht fast unter der „Beton-Pracht“ verloren. Die Menschen wirken weniger ergriffen als vielmehr beeindruckt von der Größe und Macht der Kirche. Ich hingegen fühle mich eher abgestoßen von all dem Rummel hier.
Mein Fazit: Schnell weg von diesem Ort!
Also auf nach Porto, zu einem kleinen Campingplatz am Meer. Ein letzter freier Platz erwartet mich dort, inmitten einer Armada von Campern. Ein eigenartiges Volk, diese Camper. Mein Mini-Camper wird belächelt, wenn auch heimlich. Ich bemerke die verstohlenen Seitenblicke und vorgehaltenen Hände der anderen. Doch das kümmert mich herzlich wenig.

Am Ende eines solch enttäuschenden Tages wird dann das Essen zu einem Highlight. Ich kenne bereits ein Restaurant hier, aber dann kommt die Ernüchterung: Montagabends haben die Restaurants geschlossen. Alle bis auf eines. Dieses eine hat zwar eine Karte, bietet jedoch nur Sardinen oder Wolfsbarsch vom Grill an. Dazu gibt es Salat mit gekochten Kartoffeln. Nicht gerade eine kulinarische Offenbarung, aber was soll’s? Ich bestelle und siehe da – es schmeckt! Es sieht gut aus und vertreibt meine Verzweiflung.


Morgen werde ich meine Reise nach Santiago de Compostela fortsetzen, aber zunächst führt mich der Weg durch die wunderbare kleine Stadt Padron, wo die berühmten Pimentes de Padron herkommen. Mal sehen, was diese Etappe bringt!

Ich wär so gern ein Hippie

Ich stehe an diesem traumhaften Strand und denke: „Ich wäre so gerne ein Hippie!“ Die Surfer, die sich am Ufer tummeln, haben diesen entspannten, braungebrannten Look, der einfach fantastisch ist. Schlank und lässig, in ihren ausgeblichenen Klamotten und mit den wilden Haaren, scheinen sie immer in bester Laune zu sein. Frieden und Glückseligkeit strahlen sie aus, und es gibt so gut wie keine Hektik oder Vorurteile.

Zukunftsgedanken. (…)

Aber mal ehrlich, wie sieht das wohl in der Zukunft aus? Irgendwann werden sie alle Strände in- und auswendig kennen – die Surferparadiese sich vielleicht sogar vom Geheimtipp hin zum Neckermann-Strand für Jedermann verwandeln. Was ist dann mit den wunderbaren Surfern? Bekommen sie einen dicken Bauch? Werden sie gemütlich? Werden sie sich langweilen und vom Burnout sprechen, wie ein ausgebrannter Arbeiter am Fließband? Ich hoffe nicht.

Hier am Fishermen’s Trail bin ich im Moment ziemlich zufrieden – abgesehen von diesem tükischen Sand. Bei jedem Schritt versinken meine Füße tief in ihm, anstatt mich voranzubringen. Oh, wie mühsam das Gehen ist! Doch die Aussicht auf das Meer, die Klippen, die üppige Vegetation und die Angler, die sich mutig an den Klippenkanten aufhalten, entschädigen für alles. Sie sind so nah am Abgrund, dass man ihnen am liebsten zurufen möchte: „Geh da weg, du wirst noch runterfallen!“

Ach, mein lieber Leser, erlaube mir, weiter von jenem sonnendurchfluteten Tag am portugiesischen Strand zu berichten. Nach einem ausgiebigen Bad im kalten Atlantik sitze ich auf einem dieser wunderbar warmen Felsen am Ufer und tauche nun nicht mehr in den Fluten, sondern in den Tiefen des Denkens. Ich grüble darüber, ob Freiheit der Schlüssel zu einem wahrhaft erfüllten Leben sein könnte, vorausgesetzt, wir sehnen uns überhaupt danach. Die Sonne, der Wind und das rhythmische Rauschen der Wellen begleiten mich freundlicherweise auf dem Weg durch die Gedankenwelt. Es ist, als würden die Elemente selbst mich umhüllen und inspirieren weiter und weiter zu denken. Doch plötzlich – mitten im Denken – überfällt mich eine große Melancholie.

Über Melancholie. (…)

Melancholie erkenne ich daran, das sich eine eigenartige Mischung aus Wehmut und Sehnsucht in den stillen Momenten meines Lebens einschleicht. Sie kann mich packen, wenn ich am Fenster sitze und in die Ferne schaue, wenn ich über vergangene Zeiten nachdenke oder darüber, was noch vor mir liegt. Und hier, an diesem wunderschönen portugiesischen Strand, hat es mich wieder einmal erwischt. Doch die Melancholie hat auch eine Schwester namens Eudaimonia. So hat mir einmal ein alter Mann erzählt. Eudaimonia ist das wohlklingende griechische Wort für ein positives Lebensgefühl, das Streben nach Glück und Wohlbefinden. Und hier am Strand von Portugal, zwischen Melancholie und Eudaimonia, erkenne ich endlich den tiefen Zusammenhang. Während ich den warmen Fels unter meinen Füßen spüre und die salzige Luft in meiner Nase, wird mir klar, dass diese Melancholie, die mich ergreift, nicht von Traurigkeit, sondern von einer Art Sehnsucht nach Freiheit getragen wird. Ich sehne mich danach, dem Alltag zu entfliehen, den Fesseln der Verpflichtungen zu entkommen und einfach dem Rhythmus des Meeres zu folgen. Freiheit ist für mich mehr als nur das Fehlen von Ketten; sie ist die Fähigkeit, das Leben nach meinen eigenen Regeln zu gestalten, im Einklang mit den Wellen des Schicksals zu tanzen und die Melodie des Augenblicks zu genießen. Und genau das finde ich hier in Portugal. Die Sonne steht mittlerweile tief am Horizont, und die Farben des Abendhimmels beginnen sich zu verändern. In diesem Moment begreife ich – in aller Tiefe – wie flüchtig das Leben ist. Diese Flüchtigkeit treibt mich an, nach meiner ganz eigenen Eudaimonia zu suchen, nach dem Glück, das tief in meiner Seele verborgen liegt.
Es ist mir nun klar, dass in den leisen, nachdenklichen Momenten des Lebens eine Einladung zur Freiheit und zum Glück verborgen ist. Und ist die wahre Freiheit und das Glück nicht das, was in den kleinen, alltäglichen Freuden des Lebens zu finden ist? In einem guten Gespräch, einem herzlichen Lachen, dem Klang der Wellen und dem sanften Kuss der Sonne auf meiner Haut?

Auf der Hitzewelle surfen…

Es ist wirklich warm hier in Portugal. Die Hitzewelle schlägt im September und Oktober über Frankreich, Spanien und Portugal zusammen. Schon morgens um 8 Uhr brennt die Sonne so heiß, dass es über 20 Grad Celsius sind – und das ist über null, versteht sich. Ich schwöre, selbst die Hühner hier haben sicherheitshalber einen Sonnenhut aufgesetzt.

Ich werde träge von dieser Hitze. Ein kleiner Schnupfen hat sich zudem bemerkbar gemacht, und den verdanke ich der Klimaanlage im letzten Hotel. Ich hätte sie nachts ausschalten sollen, aber ach, ich habe es versäumt. Jetzt läuft meine Nase, als wäre sie eine Bergquelle. Doch keine Sorge, ich habe ein Geheimwaffe in meinem Reisegepäck – Klosterfrau Melissengeist! Ein Schluck von diesem magischen Elixier und morgen wird alles wieder in Ordnung sein.

Essen – immer wieder geht es ums Essen. (…)

Mein Frühstück hier in Sines ist klassisch portugiesisch. Ich bestelle mir ein Glas Galaô, das ist ein Milch-Kaffee, so süß und köstlich wie der Kuss einer portugiesischen Schönheit. Dazu gibt es zwei Pasteis de Nata, diese kleinen Puddingtörtchen, die hier überall zu finden sind. Ich sitze mitten in einem Café, umgeben von laut schnatternden Menschen, die zur Arbeit müssen und denke leise: „Das gefällt mir!“

Nachmittags geht es weiter an die Steilküste nach Porto Covo. Ich kann es kaum erwarten diese atemberaubende Landschaft zu erkunden. Und wer weiß, vielleicht begegne ich auf meinem Weg einem echten portugiesischen Cowboy, der auf einem Esel reitet und Gitarre spielt. Ach, das Leben hier in Portugal ist wirklich ein Abenteuer!
Ich bin nun schon eine Woche unterwegs, und man könnte meinen, ich sei ein Fisch im Netz der Geheimtipps. Wer Tipps bekommt, hat ja schon fast gewonnen, und – in der Tat – ich hatte das Glück, ein paar dieser Kostbarkeiten vom Vermieter meiner Wohnung zu ergattern. Heute zum Beispiel sagte er, ich solle unbedingt mittags im Hafen in einem speziellen Fischrestaurant speisen. Gesagt, getan. Gegen 12 Uhr schlendere ich also am Laden vorbei. Was sehe ich? Niemand drin, kein Kellner, keine Gäste, nur leere Stühle und Tische. Na ja, denke ich mir, dann geht’s eben weiter. Die alten Boote unten am Hafen winken mir mit ihren bunten Farben zu, als wollten sie sagen: „Komm her, wir haben auch Spaß ohne Fisch!“

Kaum 10 Minuten später, als ich schon fast vergessen hatte, dass ich überhaupt essen wollte, ist der Laden plötzlich rappelvoll. Als hätte jemand einen Zauberspruch ausgesprochen. Schnell reihe ich mich dann doch noch in die Schlange der Hungrigen vor den ausgestellten Fischen ein. Bevor man überhaupt Platz nimmt, muss man seine gewünschten Fische auswählen, diese werden kunstfertig gewogen und landen dann auf einem Blechteller, der so aussieht, als könnte er auch als Schutzschild in einem Mittelalterfilm dienen. Dann geht’s ab an den Tisch. Natürlich bekomme ich einen Platz an einem Tisch, der so klein ist, dass selbst eine Katze Schwierigkeiten hätte, sich darauf niederzulassen. Die Bedienung stellt Brot, Oliven und einen Pulpo-Salat auf den Tisch, wünscht einen guten Appetit und serviert dann auch noch herrlichen Vino Verde und eiskaltes Wasser. Das nenne ich mal Service!

Und dann beginnt das Warten. Der alte Mann am Grill gibt alles. Eingeklemmte Sardinen, Doraden, Steinbeißer, Schollen, Tintenfisch und Meeraal – die Liste der zu genießenden Fische ist länger als die Zutatenliste eines komplizierten Cocktails. Der Duft von gegrilltem Fisch zieht durch den Raum und lässt mir das Wasser im Mund zusammenlaufen.

Endlich kommt mein Essen. Dorade mit Salat und Kartoffeln. Ein Gedicht auf dem Teller, ein Gemälde auf der Zunge. Wahnsinn! Zwischendurch kommt der Chef höchstpersönlich vorbei und legt jedem, der möchte, noch ein paar gegrillte Sardinen auf den Teller. Ich sage euch, mein Mund flattert wie die Flügel eines Vogels, der gerade einen Schwarm Mücken entdeckt hat.

Mein Geheimtipp: Wenn euch jemand einen Geheimtipp gibt, lasst ihn nicht einfach liegen, so wie ich fast dieses großartige Fischrestaurant liegengelassen hätte. Denn man weiß nie, welche kulinarischen Abenteuer auf einen warten.

Der Fischerweg. Die Küste. Der Strand. Das Meer. Die Menschen. Es ist einfach unglaublich schön! Aber hier ist es so heiß, dass ich fast schmelze. Wir reden mittlerweile von fast 40 Grad hier am Strand – wenn es denn bloß Schatten gäbe!

Jedenfalls, den Fischerweg entlangzuspazieren ist wie eine Reise in eine andere Welt. Die Küste und der Strand scheinen nie zu enden. Das Meer, das sich vor mir ausdehnt, ist so blau, dass es fast schmerzt, in seine Tiefen zu blicken. Ich frage mich, ob die Portugiesen eine geheime Formel für dieses atemberaubende Blau haben.

Während ich hier stehe, von den Wellen umspielt und von der Sonne geküsst, kann ich nicht anders, als zu lächeln. Portugal hat mein Herz erobert, und ich kann es kaum erwarten, mehr von diesem wunderbaren Land zu entdecken. Aber jetzt werde ich mich erst einmal in den Schatten begeben, bevor ich hier wirklich schmelze wie ein Eis in der Mittagssonne. Bis bald, aus dem sonnigen Portugal!

Ach ja, einen portugiesischen Cowboy habe ich leider nicht getroffen.

38 °

Sines! Hier stehe ich, am Anfang des sagenumwobenen Fischerweges, in einer dieser kleinen Küstenstädte, die einerseits verschlafen und andererseits ein bisschen hip sind. Hier findet man keine Horden von Neckermann-Touristen, nein, hier sind es eher die Abenteurer, die sich normalerweise in den Tiefen Goas in Indien verstecken. Und mitten drin stehe ich, in meiner vollen Reiseglory. Die Temperatur? Achtunddreißig Grad Celsius. Im Schatten. Die Menschen, die hier wohnen, können es kaum fassen, dass der Oktober soviel Temperatur hergibt. Sie schütteln den Kopf und sind gleichzeitig in Sorge. Sie freuen sich zwar für mich, sehnen sich aber nach erträglichen Temperaturen, so um die 19 Grad.

Für die nächsten vier Tage habe ich mir ein echtes Stück Portugal gegönnt – eine Wohnung in einem Wohnblock, nur etwa 200 Meter vom Meer entfernt. Um mich herum pulsiert das „normale“ Leben: Kinderlachen, Hundegebell, Besucherströme, der Aufzug, der so seltsam ruckelt, und Parkplätze, die scheinbar in einer anderen Dimension existieren. In der Wohnung gibt’s alles, was das Herz begehrt: Waschmaschine, Kühlschrank, kalte Getränke und eine Wäscheleine, die stolz an der Außenmauer des Hauses prangt. Es ist ein kleines Stück vom Alltag, und ich liebe es.

Mann, oh Mann, ich habe den ganzen Tag auf der Straße verbracht, und jetzt dreht sich alles um eins: Essen. Aber nicht irgendein Essen – ich will Fisch! Und zwar so authentisch wie es nur geht, in bester portugiesischer Manier. Der Abend bricht herein, und ich mache mich auf den Weg in die Stadt. Die Restaurants rufen, und ich habe einen heißen Tipp vom Vermieter meiner portugiesischen Homebase bekommen. Dort will ich hin. Und was soll ich sagen?

Es ist authentisch. Es ist verdammt gut. Ich bin glücklich. Ja, Leute, ich bin mitten in Portugal.

Nach dem Essen, das mir die Geschmacksknospen vor Freude tanzen lässt, schnappe ich mir meine Kamera und mache mich auf die Jagd nach ein paar Sonnenuntergangsfotos. Manche Städte sehen am Abend einfach besser aus als tagsüber. Das ist echt der Wahnsinn.

Sines, du hast mich in deinem Bann, und ich kann es kaum erwarten, was die nächsten Tage hier für mich bereithalten. Aber eins ist sicher: Es wird verdammt lecker!

Im Land der kleinen Leute mit den großen Herzen

Es ist, als ob die Zeit in Portugal langsamer vergeht als anderswo. Die Uhren ticken gemächlich, und die Welt dreht sich im Rhythmus der portugiesischen Gelassenheit. Eine erste Pause ist fällig, und ich beschließe, irgendwo in Portugal, eine örtliche Bar zu erkunden. Das Haus mit dem auffälligen Reklameschild sieht aus, als hätte es die besten Tage hinter sich. Aber hier sehe ich viele Menschen sitzen. Ich habe einen Platz im Schatten und bestelle einen Portwein, der nur 60 Cent kostet. Was für ein Schnäppchen! Der Kaffee schlägt dann schon mit einem satten Euro zu Buche. Wie geht das, frage ich mich?

Der Inhaber, ein Mann von Charakter, Charme und großen Gesten, betrachtet mich mit einem breiten Lächeln. Ich wage die Frage nach dem Essen des Tages. Er zeigt auf den Raum zwischen seinen Beinen. Ich starre ungläubig. Doch bevor ich in Panik geraten kann, bricht er in herzhaftes Gelächter aus. „Kuh und Milch“, nuschelt er und rät, das „typisch galizische Essen“ lieber auszulassen. Ich folge seinem Rat und blicke stattdessen auf die Tische der Einheimischen, wo ich etwas entdecke, das wie Bohnen mit Kutteln in einem tiefen Teller aussieht. Es wäre einen Versuch wert, denke ich, doch am Ende siegt die Feigheit, und ich wage mich nicht daran.

Die Portugiesen. (…)

Die Menschen hier sind so lebendig, warmherzig und freundlich wie in kaum einem anderen Land. Im Gegensatz zu den Franzosen und Spaniern gehen die Portugiesen nicht automatisch davon aus, dass ich ihre Sprache mit all den Zischlauten sprechen könnte. Aus diesem Grund beherrschen fast alle Englisch oder sogar Deutsch. Was mir auch noch auffällt: Die Bevölkerung auf dem Land scheint im Allgemeinen etwas kleiner zu sein, als bei uns in Deutschland. Auf einmal bin ich mit meinen 1.75 m fast schon ein Gigant.

Heute ist Pause in Coimbra angesagt. Ein Bad im Pool und später am Abend steht Fado auf dem Programm. Die Dame an der Rezeption war so freundlich und hat mir einen Platz im „Fado ao Centro“ reserviert. Es ist ein kulturelles Musikzentrum in der Altstadt von Coimbra. Fast täglich finden hier sehens- und vor allem hörenswerte Veranstaltungen statt. Im Fado ao Centro sollen nur die besten Fado-Sänger Portugals auftreten, eine Einladung hierher ist eine große Ehre für einen Künstler. Ich bin mal gespannt, was mich erwartet.

Und dann ist da dieses Hotel, meine Freunde, vier Sterne und so viel Luxus, dass es mich beinahe umhaut. Ein Pool, eine Sauna, ein Fitnessstudio, Parken in der Tiefgarage und Frühstück am nächsten Morgen. Das wird mir guttun. Ich klopfe mir auf die Schulter und denke, dass es eine kluge Entscheidung war, nicht nach Sevilla zu fahren.
Ich lasse mich nun von der portugiesischen Gelassenheit einlullen und halte die Augen offen für weitere Abenteuer im Land der kleinen Leute mit den großen Herzen!


Es ist einer dieser Tage, die man wohl nie vergessen wird. Der Fado-Abend, der um 19 Uhr beginnen sollte, lag vor mir wie ein verheißungsvoller Schatz. Ich fand mich in einem Zustand der Gelassenheit wieder, der fast schon träge war. „Mehr Zeit als genug“, dachte ich mir, und vertrödelte den restlichen Tag.

Zu früh gekommen. (…)

Doch dann, just in dem Moment, als ich mich entscheide, aufzubrechen, trifft mich der Feierabendverkehr wie eine Keule. Stau, soweit das Auge reicht, und die falsche Abfahrt erwische ich natürlich auch. Die Kontrolle über die Navigation entgleitet mir, als das Handy dazwischenklingelt. Die Zeit rennt gegen mich an, als ob sie mit gestreckten Beinen auf einem Sprintwettbewerb um die Ecke biegen würde. In aller Not suche ich einen Ausweichparkplatz – verdammt, jetzt muss ich fast zwei Kilometer zu Fuß zurücklegen.

Um 19:01 Uhr stehe ich endlich atemlos vor dem Gebäude, in dem der Fado-Abend stattfindet. Die Dame am Eingang schaut mich prüfend an und fragt, ob ich eine Reservierung hätte. „Hab ich“, rufe ich keuchend, „vom Hotel.“ Ihre Augen weiteten sich vor Überraschung. „Ach“, sagt sie, „dann sind Sie wohl zu früh. Die Vorstellung beginnt erst um 19 Uhr.“ Ich starre sie mit fragendem Blick an, und sie erklärt mit einem Lächeln: „In Portugal ist es eine Stunde später als in Spanien. Sie müssen noch warten.“

Und so sitze ich da, wie ein verirrter Reisender in einer Zeitzone, die ich nicht bedacht hatte. Doch es hat sich gelohnt, das Warten. Der Fado-Abend entpuppt sich Lied für Lied als eine Reise in die Seele der portugiesischen Musik, die mich tief berührt.


Aber nicht nur der Fado ist ein Höhepunkt meiner Reise. Auch Coimbra hat so einiges zu bieten. Diese alte Stadt, erfüllt von lebensfrohen Studenten, fühlt sich an wie ein lebendiges Weltkulturerbe. Die friedliche Stimmung, gepaart mit dem fröhlichen Lärm der jungen Menschen, macht den Aufenthalt hier zu einem unvergesslichen Erlebnis. Coimbra hat sich gelohnt, und ich kann nur lächeln, während ich durch die kopfsteingepflasterten Gassen schlendere und mich von der Lebendigkeit dieser Stadt verzaubern lasse.

Der fünfte Tag.

Nach dem Frühstück mache ich mich auf zu einem Morgenspaziergang. Obwohl, eigentlich handelt es sich eher um eine morgendliche Wanderung. Warum? Weil heute fabelhafte Höhlen aus grauer Vorzeit auf mich warten. Steinzeitmenschen sollen ihre kreativen Ideen an den Wänden hinterlassen haben – in Form von prähistorischem Graffiti.
Eine holprige Fahrt durch die Schluchten erwartet mein Auto – es darf mit. Schließlich soll diese Reise nicht nur mir zugutekommen, sondern auch meinem fahrbaren Untersatz. Ein Beweisfoto mit dem Auto und den majestätischen Bergen im Hintergrund ist ein Muss, schließlich müssen auch Autos mal angeben. Nach einer Weile jedoch verhindern dicke Steine die Weiterfahrt, schnell ein Foto und ich setze meine Reise zu Fuß fort. Kurve für Kurve nähere ich mich der angekündigten Höhle. Und weiter geht’s, immer weiter… hinter jeder Biegung glaube ich, endlich die Graffitis zu finden. Aber nein, es ist immer nur die nächste Biegung, die mich hoffen lässt. Nach der nächsten… immer noch nichts. Ich bin schon seit einer gefühlten Ewigkeit unterwegs. Und denke daran, dass ich dieselbe Strecke auch wieder zurück muss. Rückweg. Dann plötzlich eine Höhle, ich muss sie auf dem Hinweg übersehen haben. Kurz entschlossen krieche ich hinein. Sehe nichts. Eine Taschenlampe habe ich natürlich nicht dabei. Ich bin schließlich kein Höhlenforscher. Mein Handy hat ein Lampenfunktion. Und im Schein dieser Funzel sehe ich.. nichts. Kein Graffiti. Enttäuscht laufe ich weiter.

Die Sonne zeigt sich von ihrer besten Seite. Ich knipse ein Foto nach dem anderen und grinse wie ein Honigkuchenpferd, nur weil ich diese atemberaubende Landschaft erleben darf.

Memo an mich: Nächstes Mal unbedingt alte Farb-Pigmente mitnehmen. (…)

Falls ich eine Steinzeithöhle finde, kann ich dann meine eigenen Graffiti hinterlassen. Was für ein genialer Gedanke! Und die Vorstellung, dass jemand meine Kunstwerke eines Tages entdeckt und diesen Ort zu einer uralten Attraktion macht, bringt mich dazu, mitten beim Laufen laut loszulachen.

Dann geht es auch schon auf die Autobahn Richtung Toledo. Die ersten 200 Kilometer verlaufen reibungslos – freie Fahrt! Aber dann taucht Madrid in der Ferne auf, und die Fahrer werden hektisch. Schnell wird mir klar: Spanische Autofahrer im Allgemeinen fahren dicht auf. Sie bewegen sich durch den Verkehr wie Michael Schumacher im Formel-1-Zirkus. Jede Gelegenheit zum Überholen wird genutzt. Dafür haben sie definitiv Talent.
In der Altstadt von Toledo merke ich leicht panisch, dass die Straßen hier so eng sind, dass ich mich frage ob sie überhaupt für Autos gemacht wurden. Aber egal, sie sind alt, also muss ich ihnen das verzeihen. Jemand hat mir erzählt, dass in der Straße, in der mein Hotel steht, schon viele Ausländer stecken geblieben sind. Das scheint die Einheimischen zu amüsieren und bringt Abwechslung in ihren Alltag. Mir treibt es den Schweiß auf die Stirn. Das Hotel, in dem ich heute Nacht schlafen werde, ist von außen eher unscheinbar. Innen begrüßt mich ein charmanter Innenhof mit spanischem Flair. Es wurde kürzlich renoviert, und obwohl mein Zimmer klein ist, ist es wirklich gemütlich.


Das Bett! Das Bett ist einfach herrlich. Es ist weich, aber nicht zu weich. Fast perfekt, würde ich sagen – wäre da nicht diese doppelte Decke, die sich in der Nacht in ein gefräßiges Monster verwandeln wird und scheinbar nur auf mich gewartet hat.

Vom Tourismus in Toledo. (…)

Toledo, oh Toledo, eine Stadt, die sich gänzlich dem Tourismus verschrieben hat. Hier findet man Marzipan und Stahlwaren im Überfluss, vor allem Messer und Dolche, als ob sie glauben, wir Touristen müssten uns gegen wildgewordene Don-Quijotes verteidigen! Und natürlich gibt es die üblichen Souvenirs, die man überall in Spanien ergattern kann. Und was ist mit den Spaniern? Nun ja, die sind hier eher eine seltene Spezies. Man sieht sie in den Geschäften, wo sie Touristen bedienen, oder als Stadtführer, wenn sie versuchen, die orientierungslosen Massen zu bändigen.
In der Altstadt von Toledo reihen sich Monumente an Monumente, als hätten sie eine Konferenz der imposanten Gebäude einberufen. Diese gewaltigen Steinquaderbauten mit ihren hohen Räumen und riesigen Fenstern sind beeindruckend, aber sie machen mir auch Angst. An einigen Häuserecken haben sie sogar Jesus aufgehängt. Er schaut leidend auf die vorbeieilenden Fußgänger. Doch die Fußgänger selbst? Die haben nicht die geringste Ahnung, von wem sie da beobachtet werden.

In den engen Gassen der Altstadt ist ein wahres Sprachengewirr zu hören. Amerikaner sind die Könige des Lärms. Die Koreaner schleichen dagegen in ihren riesigen Hüten herum, als würde die Sonne sie sonst in Staub verwandeln. Japaner hetzen von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten, während die Chinesen mit Kameras rumlaufen, die wahrscheinlich mehr wert sind als mein gesamtes Hab und Gut.

Ich will so schnell wie möglich wieder verschwinden. Kein Messer, kein Marzipan, nicht einmal ein Schinkenbrot will ich kaufen. Toledo, das ist gewiss ein Ort voller Kontraste und Überraschungen, aber nichts für mich. Ein Abenteuer fürwahr, aber nicht unbedingt mein persönlicher Favorit auf dieser Reise durch das wunderbare Spanien!


Bettgeschichten

Mein heutiger Tag beginnt mit einem fulminanten Frühstück. Es ist im Hotelpreis inbegriffen. Die Gänge sind erfüllt vom betörenden Duft frischen Brotes und dampfendem Kaffee. Ich bete still, dass sie auch frisches Obst haben. Die Wassermelone zum Nachtisch gestern Abend war so süß, dass sie in einer Zuckerfabrik als Lehrerin arbeiten könnte!

Apropos gestern. Apropos Betten in Spanien. Das Bett, Freunde, das war nicht irgendein Bett – das war ein Boxspringbett! Die Matratze war so hoch, ich dachte schon, ich wäre im Wolkenkuckucksheim gelandet. Es war fest und doch weich wie ein Katzenbauch, und für meine gebeutelten Knochen war es eine wahre Offenbarung. Die Spanier mögen es offenbar groß und komfortabel, selbst wenn das Bett aus Deutschland stammt. Das nenne ich mal kulturellen Austausch!
Doch im Laufe der Nacht verwandelte sich die Bettdecke in ein wahres Ungeheuer. Es waren zwei dünne Decken übereinandergelegt, im Prinzip also recht simpel, aber was in der Theorie gut klingt, das ist in der Praxis oftmals anders. Diese Decken hatten offensichtlich ihren eigenen Willen. Sie wollten sich partout nicht sanft über mich legen, nein, sie fühlte sich dazu berufen, sich in alle möglichen Richtungen zu winden und sich zu einem eigenständigen Kunstwerk zu formen. Sie wollte Streit, und verdammt, den hat sie auch bekommen – von mir. Und aus Trotz reise ich heute ab!

Das Hotel Balneario de la Virgin in Jaraba ist ein echter Geheimtipp. Es ist erstaunlich günstig und bietet Essen, das so gut ist, dass man fast denkt, man habe einen Deal mit dem Teufel gemacht. Und das zu Preisen, die selbst einen Geizkragen vor Freude tanzen lassen würden! Die Umgebung ist atemberaubend und perfekt für ausgedehnte Wanderungen. Aber seid gewarnt, um das Hotel herum gibt es so gut wie nichts, null, nada, nichts an sonstiger Unterhaltung, wie man es aus Städten gewohnt ist. Dieses Hotel ist ein Paradies für Wanderfreunde und Menschen, die ihre innere Zen-Meisterin entdecken wollen, vorzugsweise in einem der himmlischen Thermalbecken. Wer also auf der Suche nach Action und Party ist, der sollte lieber einen Abstecher in die nächste Großstadt machen. Aber für alle anderen, die Ruhe und Erholung suchen, ist dieses Hotel ein wahrer Schatz!

Hohe Berge und dicke Zwiebeln

Der Abschied von Lourdes? Nun ja, sagen wir, er war nicht gerade so dramatisch. Ich habe alles erledigt, was erledigt werden musste. Souvenirs gekauft, Kerzen angezündet, und ich habe sogar ein paar Tropfen aus dem heiligen Brunnen geschlürft. Jetzt kann ich leichten Herzens nach Spanien fahren, dem Land der Sonne, der Tapas und der ausgiebigen Siestas. Die Fahrt sollte mit knappen 400 Kilometern einigermaßen gut vonstatten gehen. Mit den Kühen habe ich allerdings nicht gerechnet. Ja, ihr habt richtig gehört, Kühe. In den Bergregionen genießen sie fast den Status heiliger Kühe. Scheinbar wissen sie, dass sie unantastbar sind und haben daher beschlossen, sich heute – teilweise selbstständig – auf die Reise von den Almen in die Täler zu machen. Gemächlich schreiten sie mitten auf der Straße und wackeln mit ihren Hinterteilen, als ob sie die Straße für eine improvisierte Tanzfläche halten. Ich muss mich anstrengen, geduldig zu bleiben. Allein der Gedanke, wie lecker ein saftiges Steak sein könnte, erhält mich aufrecht.

Die Pyrenäen sind erstaunlich hoch. Auf einigen Bergspitzen blitzt sogar noch das Eis, als wollte es sagen: „Hier oben ist es verdammt kalt, also besser nicht ohne Jacke!“ Überall kann man die Spuren vom Wintersport sehen. Lifte und riesige Parkplätze. Doch dafür habe ich keinen Blick. Kurve für Kurve muss ich mein Auto in die Höhe treiben. Die Öltemperatur steigt und steigt, und ich beginne, mir ernsthaft Sorgen um den Motor zu machen. Zeit für eine Pause denke ich und halte mitten auf dem Berg an. Immer in der Hoffnung, dass sich der Motor wieder abkühlt. Diese Wartezeit gibt mir die Gelegenheit zu einem kleinen Spaziergang und schnell entdecke ich eine alte Nothütte. Leider hat sich seit vielen Jahren niemand mehr um sie gekümmert, und das Innenleben ist so morbid, dass selbst eine Halloween-Party hier unpassend gewesen wäre. Trotzdem hätte ich gern – mitten im tiefsten Winter, gerettet aus Eis und Schnee – am Kamin ein Stück vom Huhn gegrillt, während draußen vergebens ein Schneesturm an den Mauern frisst.

Aber die Zeit drängt, und ich muss weiter. Die Berge werden nun endlich zu Bergen, die es allerdings wieder hinunterzufahren gilt. Jetzt sind die Bremsen mein Sorgenkind, und ich bin mir sicher, dass sie bereits heißer als heiß sind. Noch bevor die Sorgen überhand nehmen, tauchen plötzlich uniformierte Menschen mit Maschinenpistolen auf und versperren den Weg. Mein erster Gedanke ist: „Bin ich versehentlich in einen Actionfilm geraten?“ Aber dann winken sie mich nach einem kurzen Blick in den Wagen einfach durch.
Spanien!
Ich habe gerade die Grenze nach Spanien überquert, und das ohne irgendwelche Schießereien. Ein echtes Abenteuer! Nach einigen Metern locken Geschäftemacher mit ihren Waren. Die angereisten Franzosen scheinen wie verrückt Alkohol und frisches Gemüse zu kaufen. Und dann sehe ich sie, die dicksten und schönsten Zwiebeln. Es ist, als hätte die Natur beschlossen, alle Energie in die Zwiebelproduktion zu stecken. Krass, wirklich!

Für die nächsten Kilometer passiere ich die spanische Tiefebene, nur um dann wieder in die Höhe zu fahren. Mein Hotel für den Tag oder besser gesagt, die Nacht, soll angeblich in einem Tal liegen, aber bisher habe ich noch nicht einmal Berge gesehen. Geschweige denn Täler. Noch 30 Kilometer bis zum Hotel und immer noch keine Berge in Sicht. Oh weia…

Aber plötzlich wird alles anders. Die Erde verwandelt sich von grün zu ocker, fast rot. Ein Tal öffnet sich vor mir, und ich folge der Straße zum Hotel. Nur noch 2 Kilometer. Ich kann es kaum glauben. Hier soll ich also hin? Es ist wirklich kaum zu fassen.

Das Hotel hat ein Thermalbecken, natürlich mit Thermalwasser, wie der Name schon sagt. Hier werde ich gleich baden gehen und hoffentlich meine vom Kühen-Tango strapazierten Nerven beruhigen. Nebenan füllen sie Mineralwasser in Flaschen ab. Ich fragte mich, ob sie das vor oder nach dem Badebecken machten, und beschließe, diese Frage später zu klären.

In Ruhe mache ich noch einen ausgiebigen Spaziergang. In der Nähe hängt ein altes Kloster an den Felsen, und Bachläufe rieseln entlang der Berge. Ich laufe mit dem Kopf nach oben, unten, links, rechts – einfach überall. Vor Freude rufe ich laut in die Schlucht, und das Echo antwortet mir fröhlich. Einige Spaziergänger schütteln den Kopf, aber das ist mir egal. Ich habe heute die Pyrenäen erklommen und habe zwei Länder passiert. Das Eine habe ich verlassen, das Andere betreten.

Das Abendessen gibt es erst nach acht Uhr, drei Gänge für gerade mal 20 Euro – eine Flasche Thermalwasser (Oh Gott, vielleicht trinke ich das Wasser, indem ich gerade noch gebadet habe!) und eine Flasche Rotwein eingeschlossen. Was für ein Tag, was für ein Tag!

Das Leben und das Licht

Ich sitze auf meinem Bett und befinde mich inmitten der Wunder und Hoffnungen von Lourdes. Ein Ort, den so viele aufsuchen, in der stillen Erwartung, dass hier, unter dem Himmel der Hoffnung, ihre Leiden geheilt werden. Trotz des offensichtlichen Schmerzes, der in den Gesichtern vieler zu sehen ist, hört man überall fröhliches Lachen. Es begleitet die fast schon monotonen christlichen Gesänge in allen Sprachen dieser Welt. Die Jungfrau Maria wird inständig und doch eher beiläufig angerufen, in ihrer hundertfachen Wiederholung.

Das Glück und die entrückte Liebe, die sich in den Gesichtern der Pilger zeigen, sind für mich ein Rätsel. Einige scheinen offen und empfänglich für die Wunder, die sie erhoffen. Andere, gut erkennbar, sind nur als Begleitung für einen gläubigen Herzenssucher. Sie wirken wie Wächter, bereit, das Wunder, das ganz kurz bevorzustehen scheint, nicht zu verpassen. Ich glaube, allein die Tatsache, dass sich die Kranken nicht alleine wissen – schließlich teilen sie ihr Schicksal so offensichtlich mit hunderten Anderen – wirft ein völlig neues Licht auf ihr Leiden und… macht es auch ohne Wunder erträglicher.

Hoffnungsvoll füllt fast jeder Pilger eine Flasche mit Wasser aus der heiligen Quelle. Vorher haben sie kleine Glasfläschchen oder sogar große Plastikbehälter in den Souvenirläden gekauft. Die Bewohner von Lourdes haben im Laufe der Jahre ein Gespür für die Bedürfnisse der Pilger entwickelt, und ich habe das Gefühl, dass die Händler die eigentlichen Wunscherfüller an diesem heiligen Ort sind.

„Das Leben und das Licht“ steht über den Eingängen der Kathedrale geschrieben. Ich habe mich entschieden, beides zu suchen. In der Grotte selbst ist der Fels von den tastenden Händen unzähliger Pilger glattgeschliffen wie polierter Marmor. Es ist ein eigenartiges Gefühl, ihn zu berühren. Im Hintergrund hört man den Gesang eines Priesters und das Gemurmel der Gläubigen. Eine leichte Angst überkommt mich. Was, wenn ich keine Energie durch das Berühren der Steine aufnehme? Oder schlimmer noch, was, wenn mir Energie entzogen wird? Doch ich verwerfe diese Gedanken als Unsinn und drücke meine Finger auf die spiegelglatten Flächen.

Meine Begegnung mit der heiligen Grotte habe ich ohne hinzuschauen gefilmt. Wenn jemand möchte, kann er gerne für nicht einmal zwei Minuten über meine Schulter schauen.

Und jetzt, meine lieben Leser, führt mich meine Reise weiter nach Spanien, hinauf in die majestätischen Berge. Immer auf der Suche nach dem Leben und dem Licht. Dort, zwischen den Gipfeln und den Wolken, werde ich weiter nachdenken über die Geheimnisse von Lourdes und darüber, was es bedeutet, an Wunder zu glauben.

Auf dem Weg zur heiligen Grotte von Lourdes

Als ich früh am Morgen aufstehe und aus dem Fenster meiner kleinen Urlaubs-Villa blicke, werde ich gewahr, dass die Welt draußen von einem dichten, weißen Nebelschleier umhüllt ist. Es scheint mir so, als ob die Natur ein Geheimnis hüten will, oder vielleicht hat sie einfach keine Lust auf ein schnelles Enthüllen ihrer Schönheit.
Mein erster Gedanke, als ich diesen dichten Morgennebel sehe, ist: „Habe ich wirklich vor, heute aus dem Haus zu gehen?
Der Nebel draußen spiegelt meine Gedanken wider, oder vielleicht sind es meine Gedanken, die den Nebel hervorgerufen haben. Es ist schwer zu sagen. Aber eines ist sicher: Beides führt zu einer gewissen Verwirrung. Mein Kopf fühlt sich an, als ob er von einer dicken, wabernden Wolke umgeben ist, die klare Gedanken unmöglich macht. Ich gieße mir eine Tasse Kaffee ein und versuche, meine Gedanken zu klären. Es ist, als ob ich durch den Nebel in meinem Kopf wandere, auf der Suche nach den verlorenen Ideen und Inspirationen. Manchmal finde ich klare Momente, in denen die Gedanken wie Sonnenstrahlen durch den Nebel brechen, und dann wieder verliere ich mich in der Undurchsichtigkeit.

Aber schließlich, wie der Morgennebel draußen, der sich langsam auflöst und die Welt wieder in all ihrer Pracht zeigt, beginnt auch der Nebel in meinem Kopf zu weichen. Die Gedanken werden klarer, die Ideen finden ihren Weg zu mir, und ich fühle mich bereit, den Tag anzugehen.

Die Reise nach Lourdes beginnt – wie immer – mit einer Autofahrt, die sich gehörig in die Länge zieht. Ich sitze im Auto, mitten in Frankreich, auf dem Weg zu einer Stadt, die für ihre heilige Grotte bekannt ist. Schon hundert Kilometer vor der Stadt erheben sich die Pyrenäen mit ihren majestätische Bergen am Horizont. Die Landschaft verspricht mir etwas ganz besonderes. Plötzlich zieht sie mich in ihren Bann.

Eine Autofahrt ist für viele ein notwendiges Übel, aber für mich ist sie Bestandteil einer Reise. Und wie könnte eine Reise ohne das obligatorische Croissant und den selbstgemachten Kaffee beginnen? Unterwegs musste ich natürlich auch noch ein paar Einkäufe erledigen. Ein riesiges Einkaufszentrum liegt auf dem Weg und – man glaubt es kaum – für mich ist der Einkauf ein echtes Highlight.

Heute Abend steht ein Festmahl auf dem Programm: Omelette mit Pied de Monton (auf die schwarzen Todestrompeten – Trompette de la Mort – habe ich aus Angst verzichtet), ein echtes französisches Baguette und hoffentlich köstliches Rillettes pur Canard als Vorspeise. Ich schwöre, ich werde nach dieser Reise ein noch echterer Gourmet sein, als vorher!

Von Hoffnungssuchern

Die heilige Grotte von Lourdes ist eine bunte Kulisse eingebettet. Überall herrscht ein Gewimmel wie in Disneyland, aber um mich herum sehe ich die vielen Kranken, Verzückten, Entrückten, Bedrückten und frommen Menschen, die nur aus einem Grund hierher kommen. Gesundheit. Fast bekomme ich ein schlechtes Gewissen, weil ich kein konkretes Anliegen habe. Aber zum Glück haben meine Freunde welche, also bete ich für sie. Und warum nicht gleich für meine Familie und den Rest der Welt? Sicher ist sicher, deshalb fülle ich auch noch zwei Liter von dem heiligen Wasser ab. Wer auch immer es haben möchte, kann es später bei mir zuhause abholen.

Mein Zimmer für die Nacht befindet sich mitten im Zentrum von Lourdes. Es ist ein einfaches Zimmer, ich meine ich, es ist wirklich sehr einfach. Auf der zweiten Etage, erreichbar über alte Treppen, befindet sich ein Raum, der gerade einmal 10 Quadratmeter groß ist. Aber was klage ich, es ist genug Platz für ein Bett!
Das Bett, das kaum in diesem bescheidenen Raum passt, ist wirklich eine Sehenswürdigkeit für sich.
Es erinnert eher an eine Hängematte als an eine Schlafgelegenheit – weich, das muss ich zugeben, aber nicht auf die angenehme Art und Weise. Nein, es ist weich, weil es von tausenden frommen Pilgern durchgelegen ist, als hätte es schon mehrere Jahrhunderte auf dem Buckel. Versucht mal, euch darauf in Bauchlage zu legen! Ein schmerzhaftes Unterfangen. Ich frage mich, ob die Leute hier in Lourdes das als Teil ihres spirituellen Erlebnisses betrachten. Vielleicht denken sie, dass es gut für die Seele ist, auf einem Bett zu schlafen, das so weich ist, dass es den Körper in alle möglichen Formen zwingt. Aber ich schweife ab. Ich habe ja einen Fluchtplan! Spanien ruft. Vielleicht erwarten mich dort Matratzen, die so weich sind wie Wolken, oder vielleicht haben sie eine ganz eigene Schlafkultur, die ich noch entdecken darf. Wie dem auch sei, ich bin bereit, mich auf das Abenteuer einzulassen und herauszufinden, wie die Spanier ihre Nächte verbringen.

Eine Urlauberin aus Neuseeland, die ich spätabends in der Küche treffe, scheint nicht ganz so begeistert von ihrer Reise zu sein. Ihr wurde der Rucksack gestohlen, und die Unterkunft entspricht wohl nicht ihren Vorstellungen. Als ich sie frage, was sie für 49 Euro erwartet hätte, verlässt sie wortlos den Raum. Man kann eben nicht alle Erwartungen erfüllen, aber hier in Lourdes, wo Wunder passieren, gibt es immer noch Platz für ein kleines bisschen Magie.